Okt 11

Unzufriedene Mitarbeitende? Blödsinn, das glaube ich nicht – wir haben doch alles bestens im Griff!

Autor: PersonalRadar

Es ist ein weitverbreitetes Missverständnis, dass das grösste Problem in Unternehmen die vermeintlich ‘unloyalen’ Mitarbeitenden sind. Tatsächlich sind es oft die Vorgesetzten, deren unbedachte und respektlose Bemerkungen sowie ihr mangelndes Einfühlungsvermögen die wahren Gründe dafür sind, dass Mitarbeitende kündigen.

(Bildquelle: www.freepik.com)Während Unternehmen Millionen in Rekrutierung und Personalentwicklung investieren, übersehen sie oft das grösste Risiko: toxische Chefs und die daraus resultierende Personalfluktuation.

Hier einige typische Aussagen von Führungskräften, die zeigen, wie sie sich selbst und ihren Unternehmen schaden:

  1. ‘Ich bestimme hier die Regeln. Wenn ich sage, du bleibst bis 20 Uhr, dann bleibst du. Basta! Diskussion erübrigt sich oder such einen anderen Job. Alles klar?’
  2. ‘Du musst in die Kita? Das ist dein Problem, dass du Kinder hast. Die Arbeit kommt zuerst. Organisier dich besser. Wir sind verdammt nochmal hier kein Ponyhof oder eine doofe Puppenstube.’
  3. ‘Unzufriedene Mitarbeitende? Blödsinn, das glaube ich nicht – wir haben doch alles bestens im Griff! Die letzte interne Umfrage vor 5 Jahren hat das glasklar bestätigt. Die sollen arbeiten und das Maul halten.’
  4. ‘Was du bist überlastet? Hör endlich auf zu jammern und arbeite einfach effizienter oder such Dir doch einfach einen Job bei der Heilsarmee’.
  5. ‘Ach komm sei nicht so naiv, du bist nur wegen der Diversity-Quote hier, oder glaubst du wirklich, du hast diesen Job aus eigener Leistung bekommen?’
  6. ‘Du fühlst dich gestresst? Dann bist du kein Leader oder das ist einfach nicht die richtige Position für dich. Reiss dich zusammen. Weicheier sind hier am falschen Platz. Marsch zurück an die Arbeit.’

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Solche Aussagen sind nicht nur taktlos, sie sind auch extrem schädlich. Studien belegen, dass toxisches Führungsverhalten zu höherer Personalfluktuation, geringerer Produktivität und einem schlechten Betriebsklima führt, das sich langfristig auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens auswirken kann.

Retention Management: Die ignorierte Notwendigkeit

Obwohl viele Unternehmen behaupten, ein starkes ‘Retention Management’ zu betreiben, scheitert es oft an den Basics: Wertschätzung und respektvoller Umgang mit den Mitarbeitenden. Eine Untersuchung von Gallup (2020) zeigte, dass weltweit 48 % der Arbeitnehmenden ihren Job wegen miesen Vorgesetzten kündigten. Weitere Studien belegen, dass Führungskräfte, die ihre Mitarbeitenden nicht wertschätzen oder sie respektlos behandeln, die Hauptursache für hohe Fluktuationsraten sind.

Was ist Retention-Management?

 

Mitarbeiterbindung beinhaltet im Rahmen der Personalpolitk alle Massnahmen eines Unternehmens, seine Mitarbeitenden möglichst lange zu halten bzw. an das Unternehmen zu binden.

 

Die systematische Bündelung verschiedener Massnahmen dazu wird auch als Retention-Programm bezeichnet und umfasst verschiedene positive Anreize, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Unternehmen, die Wert auf Mitarbeiterbindung legen, zeigen damit auch, dass sie Mitarbeitende als deren wichtigstes und wertvollstes Kapital (Humankapital) betrachten und auch danach handeln (Quelle: wikipedia)

In der Schweiz liegt die durchschnittliche Fluktuationsrate bei rund 15% pro Jahr, und der Fachkräftemangel sorgt dafür, dass offene Stellen oft monatelang nicht besetzt werden können. Dabei haben Unternehmen erkannt, dass die Rekrutierung neuer Talente teuer und zeitaufwändig ist. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Korn Ferry kann der Verlust eines einzigen Mitarbeitenden ein Unternehmen das 1,5- bis 2-fache seines Jahresgehalts kosten. Diese Kosten setzen sich aus den Ausgaben für Rekrutierung, Einarbeitung, verlorene Produktivität und dem Wissensverlust zusammen.

Fakten zu den Kosten der Fluktuation:

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    Rekrutierungskosten: Laut einer Untersuchung von Glassdoor betragen die durchschnittlichen Kosten für die unmittelbare Besetzung einer Stelle in der Schweiz schon mal rund CHF 15’000.

  • Produktivitätsverluste: Eine Studie von Deloitte zeigt, dass neue Mitarbeitende im Schnitt sechs Monate benötigen, um die volle Produktivität ihres Vorgängers oder Vorgängerin zu erreichen.
  • Team-Dynamik: Die Abwanderung von Talenten hinterlässt nicht nur Lücken im Fachwissen, sondern führt auch zu Unsicherheit und Überlastung bei den verbleibenden Mitarbeitenden.

Diese wirtschaftlichen Folgen sind nicht zu unterschätzen. Trotzdem scheinen viele Führungskräfte das Ausmass dieser Problematik nicht zu verstehen oder schlichtweg zu ignorieren.

Der Arbeitnehmermarkt: Eine neue Machtverteilung

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Wir befinden uns in einer Zeit des ‘Arbeitnehmermarktes’. In der Schweiz liegt die Arbeitslosenquote konstant niedrig – im Jahr 2023 bei nur 2,2%. Gleichzeitig steigt die Zahl der offenen Stellen auf ein Rekordniveau. Besonders stark betroffen sind Sektoren wie IT, Pflege, Ingenieurwesen und das Handwerk, in denen der Fachkräftemangel besonders ausgeprägt ist. Dies bedeutet, dass qualifizierte Arbeitnehmende derzeit eine stärkere Verhandlungsposition haben als je zuvor.

Eine Studie des Beratungsunternehmens PwC ergab, dass 37% der Schweizer Arbeitnehmenden ernsthaft in Erwägung ziehen, ihren Arbeitsplatz zu wechseln, wenn sie sich von ihren Arbeitgebenden nicht respektiert fühlen. 62% betonten, dass Respekt und Wertschätzung am Arbeitsplatz zu den wichtigsten Faktoren für ihre Zufriedenheit gehören.

In einem Arbeitnehmermarkt hat ein toxischer Führungsstil fatale Folgen:

  • Die besten Talente verlassen das Unternehmen und finden schnell eine neue, oft besser bezahlte Stelle.
  • Unternehmen, die sich weigern, ihre Führungskultur zu überdenken, werden bald mit einer immer höheren Fluktuationsrate konfrontiert.
  • Die einfache Lektion ist: Mitarbeitende werden heute nicht mehr nur durch Gehalt oder Vorteile gehalten, sondern durch ein respektvolles, unterstützendes Arbeitsumfeld.

Toxische Führung und ihre Folgen: Studien und Belege

Der Zusammenhang zwischen schlechter Führung und erhöhter Kündigungsbereitschaft ist in der wissenschaftlichen Literatur hinreichend belegt. Eine umfassende Studie von Gallup (2019) zeigte, dass schlechte Führungskräfte einen der grössten Risikofaktoren für hohe Fluktuation darstellen. Mitarbeitende, die sich von ihrem Chef nicht unterstützt fühlen, kündigen fünfmal häufiger als solche, die eine gute Beziehung zu ihrer Führungskraft haben.

Das ‘Institute for Employment Studies’ bestätigt in einer Meta-Analyse, dass der Führungsstil den grössten Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit und die Mitarbeiterbindung hat. Besonders problematisch ist demnach ein autoritärer, unflexibler Führungsstil, bei dem das Management auf Druck und Kontrolle setzt, anstatt auf Kommunikation und Unterstützung. Mitarbeitende, die sich nicht ernst genommen fühlen oder deren Anliegen ignoriert werden, entwickeln schneller Frustration und Demotivation, was schließlich zu einer Kündigung führt.

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In einer Studie der Universität Zürich (2021) wurden zudem die negativen Auswirkungen auf das Betriebsklima und die Leistungsfähigkeit der Teams aufgezeigt, wenn Führungskräfte durch autoritäres Verhalten ein Klima der Angst schaffen. Die Studie ergab, dass Mitarbeitende, die unter schlechtem Management leiden, signifikant häufiger unter Stress und Burnout-Symptomen leiden und ihre Produktivität um bis zu 20% niedriger liegt.

Die Abwärtsspirale schlechter Führung

Schlechte Führungskräfte schaffen nicht nur Unzufriedenheit, sie setzen eine Abwärtsspirale in Gang. Wenn talentierte Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, bleibt nicht nur eine Lücke im Wissen, sondern auch eine in der Moral. Die verbleibenden Mitarbeitenden sind häufig überfordert und demotiviert, da sie die Arbeitslast derer übernehmen müssen, die gekündigt haben. Dies führt zu noch mehr Stress und Unzufriedenheit, was wiederum die nächste Welle von Kündigungen einleiten kann.

Der Versuch, diesen Kreislauf durch noch mehr Druck oder Kontrollen zu stoppen, scheitert meist – er verstärkt die negativen Auswirkungen sogar. Studien zeigen, dass Teams, die unter grossem Druck stehen, auf lange Sicht schlechtere Ergebnisse erzielen und eine geringere Innovationskraft aufweisen. Unternehmen, die an einem autoritären Führungsstil festhalten, schaden sich selbst und riskieren langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Die Erkenntnis, dass Führungskräfte die Ursache für hohe Fluktuation und damit verbundenen wirtschaftlichen Schaden sind, ist nicht neu. Doch was neu ist, ist die verstärkte Macht der Arbeitnehmenden in einem Arbeitnehmermarkt. Mitarbeitende haben heute mehr Optionen, und sie sind weniger bereit, toxische Arbeitsumgebungen zu akzeptieren.

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Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre Führungsstrategien dringend überdenken müssen. Der Einsatz von Druck, Kontrolle und unangebrachten Kommentaren wird langfristig nicht nur die besten Talente vertreiben, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gefährden. Stattdessen sollten Führungskräfte lernen, auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden einzugehen, sie zu unterstützen und eine Unternehmenskultur zu schaffen, die auf Respekt und Zusammenarbeit basiert.

Fazit: Führungskräfte müssen sich ändern – bevor es zu spät ist

Es ist klar, dass sich die Anforderungen an Führungskräfte verändert haben. Die Zeit der autoritären ‘Befehl-und-Kontroll’-Strukturen ist vorbei. Unternehmen, die dies nicht erkennen, laufen Gefahr, die besten Talente zu verlieren und ihre eigene Zukunft zu gefährden. Führungskräfte müssen lernen, empathisch zu führen, Feedback ernst zu nehmen und das Potenzial ihrer Teams zu fördern. Denn letztlich sind es die Mitarbeitenden, die den Erfolg eines Unternehmens ausmachen – und sie werden nicht in einem Umfeld bleiben, das ihre Leistungen nicht schätzt.