Immer im Netz.
Das Leben spielt sich zunehmend im Digitalen ab. Privates und Beruf sind dabei gleichermassen betroffen. Allerdings können viele Menschen mit der rasanten Entwicklung kaum Schritt halten. Sie sind überfordert und in der Arbeitswelt benachteiligt (ein Beitrag von: Rolf Murbach, context).
Noch nie haben sich Alltag und Arbeitswelt in so kurzer Zeit so stark verändert wie in den letzten Jahren. Der digitale Wandel durchdringt fast alle Lebensbereiche. Wir sind immer häufiger online und surfen, mailen, chatten, twittern oder bloggen. Im Netz beschaffen wir uns Informationen, tauschen Daten aus, buchen Ferien, suchen Partner, bewerben uns, kaufen ein oder gamen. Schliesslich tummeln wir uns in den sozialen Netzwerken.
Wir tun dies zu Hause, unterwegs und am Arbeitsplatz. Notebook, Smartphone und iPad sind unsere ständigen Begleiter. Vernetzung, Mobilität und der schnelle Zugriff auf Informationen bedeuten dem modernen Menschen einiges. Viele fühlen sich durch die gewonnene Freiheit unabhängig und bereichert, und die Unternehmen steigern dank dem Internet ihre Produktivität.
Allerdings ist die digitale Revolution nicht freiwillig, es gibt kein Entrinnen. Wer nicht mitzieht, hat in vielen Berufen das Nachsehen.
Auch in privaten Belangen müssen Menschen, die sich dem Digitalen verweigern oder durch die rasante technologische Entwicklung überfordert sind, Nachteile gewärtigen. Gerade ältere Menschen trauen es sich oftmals nicht mehr zu, mit den Veränderungen Schritt zu halten. Oder sie wollen es nicht.
Digital Natives: vertraut mit dem Netz Unsere Gesellschaft ist zunehmend geteilt.
Man spricht von den Digital Natives; das sind die Unter-Dreissig-Jährigen, die mit dem Internet aufgewachsen sind. Sie bewegen sich mit schlafwandlerischer Sicherheit im Netz. Dann gibt es die Digital Immigrants. In ihrer Jugend gab es noch kein World Wide Web, aber sie haben sich mit den digitalen Errungenschaften vertraut gemacht. Schliesslich die Menschen, denen das Internet mehr oder weniger fremd ist und die Mühe bekunden, einen Einstieg ins Virtuelle zu finden. Man konnte in letzter Zeit viel über die Revolution im Netz lesen. Dabei halten sich Begeisterung und Kritik die Waage. Einerseits berichten die Medien euphorisch über immer ausgeklügeltere digitale Lebenshilfen, insbesondere über soziale Netzwerke und Apps, von denen es immer mehr gibt. Und auch die Userinnen und User loben Smartphones und multimediale Tablets über allen Klee. Die crossmedialen Errungenschaften sind für sie berauschend. Schnell auf dem iPhone den SBB-Fahrplan konsultieren, Mails abrufen oder einen Video-Podcast anschauen. Wie wunderbar ist das alles. Dabei konsumieren sie nicht nur, sondern kommentieren und sharen, tragen also zum sogenannten User Generated Content bei.
Und die Entwicklung geht weiter. Die Realität ist schon jetzt und vor allem in Zukunft augmented – erweitert. Wo immer ich bin, mein Smartphone liefert mir zu jedem Ort Informationen, die ich nicht unbedingt brauche. Andererseits gibt es zunehmend auch kritische Stimmen. Brauchen wir all die sozialen Netzwerke wirklich? Was geschieht mit all den Informationen, die wir Facebook anvertrauen? Verpassen wir nicht das reale Leben, wenn wir uns nur noch im virtuellen aufhalten?
Und vor allem: Ist es so produktiv, wenn wir unablässig Multitasking betreiben und uns gleichzeitig an hundert Orten aufhalten oder im Minutentakt von einem zum anderen switchen? Die Hirnforschung sagt Nein, und gesund ist das Dauer-Zappen wohl auch nicht.
Zufriedener sind wir auf jeden Fall, wenn wir uns mehr als eine Minute auf eine Sache konzentrieren. Zudem erzielen wir bessere Ergebnisse. Der Ruf nach mehr Tiefe und weniger Oberfläche, nach Verbindlichkeit, weniger Öffentlichkeit, dafür wieder mehr Privatem und vor allem nach Entschleunigung wird lauter. Zum Beispiel ein Buch zu lesen und sich dabei einem Text ohne wegführende Links anzuvertrauen, ist etwas Schönes, erinnert man sich.
Kein Zweifel, der digitale Wandel bringt Wunderbares zustande und die Menschheit weiter. Wohin die Reise geht, wissen wir nicht. Die Menschen entwickeln sich mit den grossen Umwälzungen. Sie sind beglückt und scheitern. Es war schon immer faszinierend, aber nie einfach, an epochalen Veränderungen teilzuhaben. Als würde man von einer Welle erfasst und irgendwohin getragen. Wir lassen uns treiben und surfen, im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei müssen wir auf irgendeine Weise mit dem technologischen und kulturhistorischen Tsunami zurechtkommen. Irgendwann spuckt er uns aus, und es wird ruhiger. Vielleicht.