Die Schweinegrippe hält den Atem nicht an. Aber unseren. Fast jeder zweite Arbeitnehmer könnte ausfallen.
Im September soll die erste Schweinegrippewelle über die Schweiz rollen. Eine Impfung wird voraussichtlich erst im Oktober zur Verfügung stehen. Bei prognostizierten zwei Millionen Erkrankten werden in der Schweiz zahlreiche Arbeitnehmende ausfallen (Quelle: Schweizerische Depeschen Agentur sda).
Während den zwei Wochen des Höhepunktes einer Pandemiewelle könnten bis zu 10 Prozent der Arbeitnehmenden krankheitshalber abwesend sein. Zusätzlich ein Drittel würde zu Hause Angehörige pflegen. Von diesem Szenario gehen das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in einem Handbuch für Betriebe aus. Betriebe bereiten sich zur Zeit auf die Pandemie vor, beobachtet Ruth Derrer Balladore, Mitglied der Geschäftsleitung des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes. Massnahmen würden dem Betrieb angepasst getroffen: In einem Bürobetrieb etwa sei Heimarbeit möglich, in einer Bäckerei hingegen nicht.
Heimarbeit nicht überall möglich
Zur Vorbereitung auf die Grippewelle steht den Betrieben denn auch ein „Handbuch für die betriebliche Vorbereitung“ des BAG und des SECO zur Verfügung. Erarbeitet wurde es 2007 – der Vogelgrippe sei dank. Betriebe werden darin angehalten, einerseits das Infektionsrisiko klein zu halten und andererseits die Produktion sicherzustellen – unabhängig davon, ob sie nun Dienstleistungen oder Güter anbieten. Zur Planung gehören auch Überlegungen zum Ausfall von Angestellten. So empfiehlt das Handbuch beispielsweise, die Arbeitspensen von Teilzeitarbeitenden zu erhöhen und zusätzliches Personal zu rekrutieren – beispielsweise kürzlich pensionierte Angestellte.
Aber Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen auch vor arbeitsrechtlichen Fragen. Da gerade Kinder zur anfälligsten Gruppe bei der Schweinegrippe gehören, werden viele erwerbstätige Eltern wegen Pflegepflichten der Arbeit fern bleiben müssen.
Drei Tage frei – im Normalfall
Gemäss Arbeitsgesetz muss der Arbeitgeber seinem Angestellten bis zu drei Tage frei geben, sollte er kranke Kinder pflegen müssen. Das SECO hält dazu in der Wegleitung fest, dass sich der Anspruch auf drei Arbeitstage pro Krankheitsfall bezieht. Aber da mit der Schweinegrippe längere Ausfälle wahrscheinlich sind, stellt sich die Frage, ob längere Absenzen erlaubt sind. Denn vielleicht erkranken auch Grosseltern oder Tagesmütter und die Rotkreuz- und Spitexdienste werden ausgelastet sein. Philip Thomas, Leiter des Rechtsdienstes der Gewerkschaft Unia erklärte auf Anfrage, dass in „besonderen Fällen“ – bei besonders kleinen Kindern oder einer sehr schweren Krankheit – die Rechtssprechung auch schon eine Woche erlaubte Absenz gewährt habe. „Glücklicherweise hat die Rechtssprechung keine Erfahrungen mit Pandemien“, sagte er und geht davon aus, dass eine Pandemie als solcher „besonderer Fall“ eingestuft werden könnte. Und weil die Schweinegrippe hoch ansteckend sei, könnte sie im Falle der Betreuung kranker Kinder wie eine eigene, noch nicht ausgebrochene, Krankheit betrachtet werden. Es gelte ja auch, weitere Ansteckungen zu vermeiden, sagte Thomas.
Wer bezahlt?
Wer diese Abwesenheit vom Arbeitsplatz bezahlt, ist vom Arbeitsgesetz nicht geregelt. Allerdings rechnet David Rüetschi von der Abteilung Privatrecht vom Bundesamt für Justiz damit, dass das Obligationenrecht zum Tragen kommt. Dieses hält eine so genannte Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers von drei Wochen im ersten Jahr der Anstellung fest. Dies, wenn der Arbeitnehmer selber krank ist oder aber einer gesetzlichen Pflicht nachgeht, wobei die Pflege der eigenen Kinder vom Zivilgesetzbuch ausdrücklich als gesetzliche Pflicht definiert wird. Für den Arbeitgeberverband sind laut Ruth Derrer Balladore dennoch „viele Fragen offen“. Es könne sein, dass die Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden könne oder müsse, dass Minustage auf das Ferienkonto gehen oder aber sich der Arbeitgeber angesichts der Situation kulant zeige.