Was nützen mehr Ferien, wenn der Job dabei baden geht…
…und die darauf folgende Arbeitslosigkeit, die Freizeit nicht mehr finanzieren lässt?
Am 11. März 2012 können die Schweizerinnen und Schweizer über mehr Ferien abstimmen. 6 Wochen sollen es nach dem neuen Gesetz werden, falls das Abstimmungsvolk Ja zu dieser Ferieninitiative der Gewerkschaft Travail Suisse stimmt. 4 sind es im Moment. Eigentlich ist die Initiative sympathisch. Wer will schon nicht mehr Ferien haben? Der Dauerstress in der Arbeitswelt nimmt zu und die Erholung wird immer wichtiger.
Allerdings hat diese Initiative auch wirtschaftliche Auswirkungen. Selbstverständlich wollen die Befürworter das gar nicht so richtig wahrhaben. Obwohl die Rechnung nicht kompliziert ist. Nehmen wir zum Beispiel ein ganz gewöhnliches Industrieunternehmen das 200 Mitarbeitende beschäftigt. Ein sogenanntes KMU. Gemäss dem Obligationenrecht (OR) haben alle Anspruch auf 4 Wochen Ferien. Ist jedoch das Unternehmen einem GAV angeschlossen sind es in der Regel mehr als nur 4 Wochen. Aber bleiben wir mal bei dieser Zahl und rechnen wir die möglichen Kosten anhand des folgenden Beispiels aus:
- 200 Mitarbeitende mal 2 Wochen macht nach Adam Riese 400 Wochen mehr bezahlte Ferien für die Mitarbeitenden. Ach ja: 150 Mitarbeitende sind Industriearbeiter. Die übrigen Stellen werden von den kaufmännischen Abteilungen und dem Management besetzt. Die 400h entsprechen der ungefähren Jahresarbeitszeit von ein bisschen mehr als 8 Mitarbeitenden. Das wären dann 48 Wochen x 8 Mitarbeitende = 384 Wochen.
- Gehen wir davon aus, dass jeder von diesen gut qualifizierten und spezialisierten Industriearbeitern im Monat CHF 6’000.- verdient und dazu noch ein 13. Monatsgehalt erhält, dann ergibt sich die Rechnung CHF 6’000.- x 13 Monatslöhne x 6 Arbeiter = CHF 468’000.- mehr Lohnkosten. Das übrige Fachpersonal macht einen Viertel der Belegschaft aus und verdient im Durchschnitt mit dem Management CHF 8’000.- x 13. Das ergibt dann zusätzliche Kosten von CHF 8’000.- x 13 x 2 Personen = CHF 208’000.-. Die Ferieninitiative kostet den Betrieb ganz kühl gerechnet CHF 676’000.- mehr.
- Selbstverständlich kommen da noch andere Kosten dazu. Denn die 400 Wochen müssen auch intern so organisiert und überbrückt werden, dass die Produktion nicht ins Stocken gerät. Temporärmitarbeitende sind vielleicht gar nicht so einfach zu finden, da während der Ferienzeit viele von ihnen schon engagiert sind und zudem je nach Komplexität der Aufgabe, dieses Fachwissen unter Umständen gar nicht so einfach auf dem Arbeitsmarkt zu finden ist. Im schlimmsten Fall können jene, die nicht in den Ferien sind, soviel Überstunden machen, dass sie bald überreif für die Insel sind.
Das Management überlegt sich in der Zwischenzeit ganz schnell, wie es diese Lohnkosten wieder in den Griff bekommt. Das geht nur mit Einsparungen. Der Druck der Inhaber und der Aktionäre lassen keine andere Wahl. Dazu gibt es verschiedene und altbekannte Möglichkeiten:
- Ein Teil der Produktion wird ins günstige Ausland ausgelagert. Für gewisse Arbeitsschritte bei der Vorfertigung der Produkte braucht es keine hochqualifizierten Arbeitskräfte mehr. Das geht zum Beispiel mit einer kleinen Tochtergesellschaft oder einem zuverlässigen Partner in China viel günstiger. Die Transportkosten sind zwar nicht ganz ohne, aber mit einer guten und klugen Fertigungsplanung können diese auf ein erträgliches Mass reduziert werden. Der Logistiker kann auch noch mit dem Preis gedrückt werden. Die gibt es wie Sand am Meer. Die Konkurrenz ist fantastisch gross und daher jeder Auftrag hoch willkommen.
- Ein anderer Teil der Produktion wird vielleicht gar nicht mehr selber hergestellt. Das überlässt man dann zum Beispiel gleich den Osteuropäern. Auch die haben Industrie und sind in der Fertigungsgüte schon ganz dicht bei den Westeuropäern angelangt. Die können das also fast genauso gut. Aber viel günstiger. Und die Anfahrtswege für die Lieferung wie auch die Logistikkosten sind nur ein Bruchteil der üblichen Kosten. Der osteuropäische Logistiker ist verdammt billig und die Gesamtarbeitsverträge und die Ferienregelungen kümmern dort nur die schwachen Gewerkschaften. Die Menschen sind froh, haben sie überhaupt Arbeit, um ihre Familien durchzubringen.
- Vielleicht können zuhause sogar gewisse Teilbereiche, die anhin von Mitarbeitenden ausgeführt worden sind, durch Maschinen bewältigt werden. Das Swiss Engineering hat schliesslich einen guten Ruf und ist erfindungsreich, wenn es um die Automatisierung von Herstellungsprozessen geht. Selbstverständlich fallen die Anschaffungs- und Ausbildungskosten der neuen Technologie ins Gewicht. Die rechnen sich jedoch schon nach kurzer Zeit. Maschinen können unter Umständen 24 Stunden laufen und haben einen Produktionsausstoss, der weit über dem des Menschen liegt. Zudem brauchen die auch keine Ferien. Nur Wartung, Energie und Engineeringwissen.
Viele Unternehmen in der Schweiz bieten schon lange mehr als 4 Wochen Ferien. Der Konkurrenzkampf um die Besten ist nämlich zwischen den Unternehmen schon seit Jahren voll entbrannt. Das provoziert auch immer mehr ausgeklügelte Retentionsmassnahmen, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. Bietet man als Arbeitgeber nichts, dann kommen auch nur jene, die nicht viel zu bieten haben.
Der Stress und Druck hat an den Arbeitsplätzen stark zugenommen. Das ist eine Tatsache. Die Globalisierung begehrt ihren Tribut. Viele sind gefordert. Auch die technische Innovationskadenz wird immer kürzer, um den Vorsprung gegenüber der weltweiten Konkurrenz aufrecht erhalten zu können. Die zum Teil exzessive Freizeitindustrie fordert auch Ihren Tribut. Viele betrachten Ferien gar nicht mehr als Erholungsraum, sondern als komprimierte Stimulans, um möglichst viele Erlebnisse auf wenig Zeit zu konzentrieren. Die Erschöpfung nach den Ferien ist auch ein interessantes Phänomen.
Mehr Ferien führen nicht zwangsläufig zu mehr Erholung. Der gesetzliche Rahmen ist gut ausbalanciert. Die meisten Unternehmen bieten ohnehin schon mehr als die gesetzliche Pflicht verlangt. Es sollte den Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden überlassen sein, wie sie das gestalten möchten.
Eine anständige libertäre Gesetzesregelung mit wenigen grundsätzlichen aber griffigen Ordnungsmassnahmen ist weitaus besser als ein apodiktischer Grundsatz, der den Begünstigten weniger als erhofft bringt und alle im Glauben lassen will, dass es schon irgendwie finanziert werden kann.
- Lesen Sie die Argumente der Befürworter der Initiative. Mit diesem LINK geht es weiter.
- Lesen Sie die Argumente der Gegner der Initiative. Mit diesem LINK geht es weiter.
- Schauen Sie sich den Ferienrechner von Travail Suisse an. Auch dieser ist aufschlussreich und zeigt klar auf, dass viele mehr als 4 Wochen und die meisten weniger als 6 Wochen Ferien bieten. Mit diesem LINK geht es gleich zm Rechner.
PersonalRadar findet Ferien sehr wichtig. Sie sollten aber auch finanziert werden können. Das Thema wird nach der Abstimmung sicher noch für Gesprächsstoff sorgen. PersonalRadar bleibt dran und beobachtet die Entwicklung. Weiterhin gute Erholung und schöne Ferien!