Der 2000Sassa, der neue Held. Willkommen in der Zukunft.
Sie ist kaputt! Aber dies ist nicht deprimierend. Ganz im Gegenteil. Denn „kaputt sein“ kann produktiv werden (ein Beitrag von: Betty Zucker).
Herkömmliche betriebliche.Strukturen, traditionelle Selbstverständnisse von Identität und folglich auch von Karrieren, Laufbahnen und die Dinge, die den Sinn des Lebens ausmachen, verändern sich. Und zwar rasant. Eine Folge ist, dass bürgerliche Adelstitel und andere Orden out sind. Das hohe Tempo der Technisierung, die Innovationsdynamik bringt mit sich, dass wir in einer Zeit leben, in der das Machen, und zwar das schnelle Machen der Machenden den Horizont bildet. In diesem Horizont wird die gegenwärtige Welt derzeit permanent umgewälzt. Gemachtes überholt Gedachtes.
Just do it! Und zwar subito.
Dabei wird das intelligente Tun, das relevante „Können“ immer entscheidender. Die Fähigkeit , Aufgaben schnell und gut zu lösen, dann wenn sie aktuell sind. „Just in time“ und „on demand“ heisst`s. Das wird der immer mehr belohnte „value add“ des Einzelnen. Der zahlt sich aus.
Die „Könner“ machen Karriere
Diese „Könner“ sind nicht nur die sogenannten Experten. Diejenigen, deren Titel oder andere Orden, eine Aura der Authorität schaffen. „Direktor“ heissen bedeutet nicht immer einen notwendigen Wandel erfolgreich steuern oder schnell lernen zu können. Akademische Führungskräfte können nicht unbedingt eine Marketingstrategie für Pampers umsetzen, NLPgestählte Verkäufer nicht die Umsätze verdoppeln, oder Psychologieprofessoren nicht eine Neurose lindern. Die sind zwar gut ausgebildet, können aber je nach Situation wenig. Die neuen Stars der Wissensgesellschaft sind jedoch diese Könner. Die ganz praktischen, handfesten konkreten Problemlöser.
Ausbildung ist Ergebnis der Arbeit
Das ruft nach neuen Formen des Lernens, der Wissensentstehung und -nutzung. einem neuen Verständnis von Ausbildung. Denn bisherige Formen des Lehrens, sei es an Schulen, Universitäten oder unternehmensinternen Trainings führen selten zu dem eben geschilderten Können. Und schon gar nicht just in time und on demand. In der Wissensgesellschaft ist Lernen nicht mehr nur die inputorientierte Vorbereitung für die Arbeit. Lernen ist eine neue Form produktiver Arbeit, das Lösen von Aufgaben, oft am Rande der Überforderung jonglierend. Lernen ist der Output per se. Denn: Hinterher ist man immer klüger. Bloss unsere innere Einstellung ist noch lange nicht so weit. Was sich Jahrhunderte lang gesellschaftlich eingespielt hat, muss sich jetzt innert Kürze ändern. Ausbildung und Lernen wird zu wenig als Arbeit gesehen und dementsprechend wird damit umgegangen. Die Gefahr des chronischen Defizits ist programmiert, man hechelt immer hinter her, ist ständig am Anschlag, kommt kaum noch mit.
Der 2000Sassa
Auf welche Fähigkeiten kommt es in Zukunft an? Was kennzeichnet den Könner im 21. Jahrhundert aus, abgesehen von seiner fachlichen Expertise? Alle reden von den notwendigen „kommunikativen“, „sozialen“ ja „emotionalen“ Kompetenzen bzw. Intelligenzen, manche gar von „turbulenztauglicher Agilität“. Aber was heisst das genau? Und braucht es noch mehr für einen wahren 2000Sassa? Hier einige Hinweise:
1. Treibsandtauglich
Globalisierung, Digitalisierung, Virtualisierung sind in vollem Gange, die Auswirkungen der Info-, Bio-, Nano- und anderer Technologien sind im Anmarsch und werden uns viele Überraschungen bescheren. Eins ist gewiss: die Zukunft ist ungewiss. Die Turbulenz wird zur Permanenz, und darin müssen wir uns bewegen können. Und zwar auf eine Art immer wieder neu, denn alles verändert sich schnell, oft unvorhergesehen und teilweise radikal. Dies bedeutet nicht zuletzt einen Sicherheitsverlust, wir müssen laufen können ohne festen Grund. Wir leben wie auf Treibsand und müssen Laufen lernen beim Laufen. Vor allem angesichts der Aussichten, das im Jahre 2010 ca. 60% der erwarteten Berufe heute noch gar nicht bekannt sind. Das heisst unter anderem: wir müssen lernen können.
2. Kollektive Intelligenz bilden und nutzen können
Die Problemlösungen werden immer komplexer und benötigen immer mehr das Zusammenspiel von Individuen und Gruppen. Es braucht eine Art kollektive Intelligenz, die jeweils für ein bestimmtes Ziel gebildet und genutzt werden kann. Netzwerk-Könner sind gefragt, diejenigen die verlässliche Netzwerke im weiten Sinne aufbauen, pflegen und gegebenenfalls schnelle Antworten bzw. Leistungen von anderen Könnern tatsächlich erhalten. Und Netzwerke funktionieren nicht wie Räderwerke, nach dem Kommando- Kontrollprinzip. Sie basieren auf gemeinsame Interessen, ein Geben und Nehmen und gegenseitiges Vertrauen. Dies hat übrigens auch Folgen für die Spesenbudgets. Virtualität allein genügt nicht. Man muss dem anderen ins Gesicht schauen können um Vertrauen zu bilden. Aber auch das Netzwerken ist heute nicht mehr das, was es einst war. Klubleben und Mittagessen heute mit dem und morgen mit jenem, reichen nicht mehr. Ständig wechseln die Konstellationen:
- Kunden oder Kooperationspartner werden etwa über Nacht zu Konkurrenten,
- Konkurrenten sollen plötzlich gemeinsam Synergien als Partner produzieren,
- Chefs werden plötzlich Kollegen oder
- Mitarbeiter und Mitarbeiter über Nacht Vorgesetzte.
Diese wechselnden Beziehungen zu „managen“ ist nicht trivial. Bei Netzwerkstrategien spielt das soziale Prestige, der mehr oder weniger gute Ruf eine Rolle. Ist man kooperativ und hilft anderen, hat man etwas zu bieten, ist man gut und wenn ja, in was? Oder ist man ein Trittbrettfahrer oder verweigert anderen die Hilfe. Studien zeigen, dass das biblische Motto „Gib und dir wird gegeben“ sich zu bestätigen scheint. Aber dafür muss der Ruf aufgebaut werden.
3. Leidenschaft
Um gut, ja exzellent zu sein braucht es Leidenschaft für eine Aufgabe. Nur dann kann man Frustrationen, Unsicherheiten, Widerstände überwinden, und Durstperioden durchhalten. Leidenschaft ist lebenswichtig. Es wäre schade, wenn diese vorhandene Energie sich nur im Reisebüro oder im Porsche entfalten könnte. Wie lässt sie sich entlocken? Regelmässige Fragen wie: Welche Ideen und Aufgaben begeistern am meisten? Wo schlägt Ihr Herz, wo am höchsten? Was wollen Sie am liebsten tun, welche Spur(en) wollen Sie hinterlassen, helfen. Bloss: Das hat seinen Preis. Leidenschaft schafft Leiden.
Denn wer sich beherzt in die Nesseln setzt, der muss mit einem juckenden Hintern leben.
4. Führung der „Eigenmarke“: „Self Branding“
Wie werden die gesuchten „turbulenztauglichen Agilen“ in der infoüberfluteten Welt sichtbar und beschäftigbar? Und zwar zu dem Wert, den sie verdienen? Die „leidenschaftlichen Antworten“ erlauben die persönliche Einzigartigkeit, den Wettbewerbsvorteil etwa gegenüber Kollegen glaubwürdig und sichtbar zu entwickeln. Das Profil bzw. die „Marke“ ist zu entwickeln. Zur Entwicklung dieser „Marke“ sind folgende Fragen dienlich:
- Was sind Ihre speziellen Fähigkeiten und Qualitäten?
- Wie unterscheiden Sie sich von den anderen?
- Wie würden Ihre Kollegen/ Chefs/ Mitarbeiter/ Freunde/ Feinde/ Kunden und Konkurrenten Sie beschreiben?
- Welcher Unterschied macht einen Unterschied?
- Worauf sind Sie am meisten stolz?
- Wofür, in welchen Aufgaben , Bereichen, personellen Konstellationen etc sind Ihre Fähigkeiten und Eigenschaften besonders dienlich?
- Last but not least: Zur Positionierung gehört auch ein persönliches Credo. Für welche Werte stehen Sie?
So kann aus dem Lebenslauf eine „Marketingbroschüre“ entstehen. Anstatt einer herkömmlichen Liste von bürgerlichen Adelstiteln und formalen Positionen wird ein Portfolio erprobter Fähigkeiten erstellt. Die „Marke“ steht für das Können, Werte und Ziele. Übrigens festigt dieser Prozess auch den Glauben an uns selbst. Und der wird wichtiger denn je. Er bietet die Sicherheit, innere Stärke und Stabilität, die kein Arbeitgeber mehr bieten kann. Er hat sie selber nicht mehr. Dieser Glaube an sich selbst ist die vitalste „Lebensversicherung“ im allgemeinen empfundenen Chaos bzw. in der Orientierunglosigkeit. Er ist eine wichtige Ingredienz der in Zukunft notwendigen „Treibsandtauglichkeit“. Das „Ich“ ist in unserer Treibsandgesellschaft, in der sich nicht nur die Produkte und Märkte sondern auch die Partner und Freunde verändern, oft der einziger lebenslange Begleiter. Pflegen wir es! Die darin liegende Gefahr des Egozentrismus ist offensichtlich. Aber wie oft sind schon bislang Ideen der betrieblichen Vernunft an Egos gestorben?
5. Selbstschutzfähigkeit
Die Flexibilisierung der Arbeitswelt betrifft auch Arbeitszeit und –ort. Dabei erhöht sich die Gefahr der ohnehin bestehenden Überbewertung der Arbeit versus der Familie. Studien aus Kalifornien, wo diese Entwicklung schon sehr fortgeschritten ist, bestätigen das. Man fühlt sich in der Arbeit „heimischer“, gewinnt dort am meisten Freunde, findet dort eine grössere Bühne, auf der sich neben Parties, Unternehmenspicknicks, Gratis- Cola im Kühlschrank und Kaffeemaschine, Eifersucht, sexuelle Anziehung oder brodelnder Ärger verfolgen lassen. Da ist die häusliche Arena einfach kleiner. Der Arbeitsplatz wird zum Zuhause,und je länger je mehr (dank neuer Technologien) das Zuhause zum Arbeitsplatz. Das ist ein nicht eingestandener, aber grundlegender Teil unseres sich verändernden Umfelds. Ein heftiger Kampf wird – Globalisierung hin oder her, lokal geführt. Und der lokale Rivale heisst: Familie. Das führt übrigens auch dazu, dass der Effizienzkult am Arbeitsplatz sich auf das Zuhause ausweiten kann. Gleichzeitig kommt die „neue Hausarbeit“ aber auch dem wachsende Bedürfnis nach Jobsharing und Teilzeitarbeit entgegen. Darüber hinaus ist man in der HomePage Öffentlichkeit sichtbar, mit Handy und E-Mail ausgerüstet und prinzipiell überall 24 Stunden am Tag erreichbar. Umso wichtiger wird die Fähigkeit des qualifizierten Nein-Sagens und Grenzen zu ziehen. Sich selbst zu schützen, unter anderem vor dem Zugriff. Eine Oper ohne den Vibrator des Handys zu geniessen oder abends vor dem Schlafen gehen noch die letzten 20 E-Mails zu lesen, ist heute schon für manche eine Herausforderung. Dabei wird die Anzahl der „Zugriffs- Kanäle“ noch steigen. Diese Kanäle müssen gemanagt werden. Erreichbarkeit heisst nicht Verfügbarkeit. Last but not least:
6. die Widerstandsfähigkeit
Während die „alten Helden“ für mutige Taten gefeiert wurden, die sie -ohne an mögliche Konsequenzen zu denken- vollbrachten, werden die neuen Helden für die Kraft , sich mit Ausdauer und Beharrlichkeit in Krisen und Veränderungen zurechtzufinden, bewundert. Optimistisches Denken, sich in verschiedensten Netzen und Umfeldern bewegen zu können, und ihre eher pragmatische, lösungsorientierte Herangehensweise an Probleme, gepaart mit dem Bewusstsein, dass nichts mehr selbstverständlich und stabil ist, das ermöglicht ihnen mit den Wechselfällen des Lebens umzugehen – und dazu gehört das Scheitern. Scheitern ist für sie kein Tabu, sie sind „Wiederaufstehmännchen“.
Was will der 2000Sassa?
Für ihn ist weniger die Macht das Aphrodisiakum, sondern die Freiheit, ihre Ideen und Vorstellungen einbringen und umsetzen zu können. Tendenziell sind sie, die Generation X, Y, @ und was noch alles kommen mag, eher antiautoritär erzogen. Sie mussten tun, was sie wollen. Heute wissen sie vor allem, was sie nicht wollen. Und dazu gehört das Kämpfen in und mit herkömmlichen Arbeitskorsetts, mit den 1000 „guten Gründen“ warum dies oder jenes nicht geht, und mit der wohl momentan beliebtesten Frage im Management angesichts des Auftauchens einer neuen Idee: „was bringts?“ – und zwar heute. Statt dessen wollen Könner sich abstrampeln in den vielen sich heraus kristallisierenden Möglichkeiten. Dazu gehören die neuen Arbeitsformen, aber auch die Möglichkeiten zu experimentieren um Neues zu lernen. Geld spielt eine Rolle, aber ebenso das Team. Könner wissen, dass sie mit Egotaktik und Hard-Individualismus allein selten die Welt bewegende Innovationen umsetzen können. Dazu brauchen sie eine eingespielte Gruppe Gleichgesinnter. Das ist auch einer der Gründe, warum immer öfter ganze Gruppen (inkl. Sekretariaten) die Firma wechseln, wie etwa von der Deutschen Bank zur CS oder von Digital Equipment zu Microsoft.
Könner sind Lustleister
Sie haben Freude an Wirksamkeit und Leistung, auch oder gerade auch wenn sie anstrengend ist (wie Bergsteiger). Kommen sie in Umgebungen organisierter Leistungslosigkeit, auch wegen leichtgewichtigen Schwergewichten vor der Nase, dann gehen sie oft frustriert weg. Sie wollen Erlebnisse, Ergebnisse und ihren Beitrag daran sehen, bzw. dass er gesehen und vor allem honoriert (im weiten Sinne) wird. Die kleinen Eitelkeiten wollen befriedigt werden. Das knappe Gut in der Infogesellschaft mit ihrer Infoflut ist die Aufmerksamkeit. Erfolg wird immer mehr in Form von Beachtung und Achtung gemessen. Es ist eine der neuen Währungen in der Infogesellschaft.