Online-Bewerbung und Künstliche Intelligenz (KI): Hilfe oder Hindernis?
Die digitale Transformation hat in den letzten Jahren nahezu alle Lebensbereiche erfasst, und die Personalbeschaffung bildet hierbei keine Ausnahme.
Bei der Online-Bewerbung stossen immer häufiger Bewerbende auf Künstliche Intelligenz (KI), die in Form von sogenanntem CV Parsing eingesetzt wird. Doch ist diese Software wirklich so intelligent, wie sie oft dargestellt wird? Die Antwort mag überraschen: Nein, im Gegenteil.
Oftmals schadet KI mehr, als sie nutzt, und kann die Chancen von Bewerbenden erheblich schmälern. Noch gravierender ist die Möglichkeit, dass sie die falschen Kandidaten:innen herausfiltert oder zu einem technischen Wettrüsten zwischen Personalern und Bewerbenden führt, bei dem beide Seiten KI-Systeme gegenseitig zu überlisten versuchen.
Im Zeitalter der Digitalisierung ist es verständlich, dass Unternehmen nach effizienten Methoden suchen, um Bewerberdaten zu analysieren und den besten Kandidaten:in für eine offene Stelle auszuwählen. CV Parsing ist eine solche Technologie, die auf den ersten Blick verlockend erscheint. Sie verspricht, Bewerberprofile automatisch zu durchsuchen, relevante Informationen zu extrahieren und eine erste Vorauswahl zu treffen. Dadurch könnten Unternehmen Zeit und Ressourcen sparen, die sie sonst für das manuelle Sichten von Hunderten oder Tausenden von Bewerbungen aufwenden müssten.
Jedoch offenbart sich bei genauerem Hinsehen das Dilemma dieser KI-gestützten Bewerbungsvorauswahl. CV Parsing basiert auf Algorithmen, die darauf trainiert sind, bestimmte Schlüsselwörter, Fähigkeiten und Qualifikationen zu identifizieren. Dies kann dazu führen, dass Bewerbende, die nicht die exakt passenden Begriffe in ihren Lebensläufen verwenden, automatisch aussortiert werden, selbst wenn sie über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen. Dies ist besonders problematisch, da die Art und Weise, wie Bewerber ihre Erfahrungen und Qualifikationen formulieren, stark variieren kann.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass CV Parsing oft nicht in der Lage ist, wichtige Aspekte wie die persönliche Motivation, die Teamfähigkeit oder die Kreativität eines Bewerbers zu erfassen. Diese Qualitäten sind jedoch genauso wichtig wie technische Fähigkeiten und berufliche Erfahrung. Die Software kann nicht beurteilen, wie gut ein Bewerber:in in das Unternehmenskultur passt oder wie effektiv er in einem Team arbeiten kann.
Das bedeutet, dass vielversprechende Kandidaten möglicherweise aussortiert werden, weil ihre Bewerbungsunterlagen nicht perfekt auf die Anforderungen des Algorithmus zugeschnitten sind.
Noch besorgniserregender ist die Tatsache, dass der verstärkte Einsatz von KI in der Bewerbung zu einem technischen Wettrüsten führen kann. Wenn Unternehmen KI-Systeme einsetzen, um Bewerbende zu analysieren, können diese ihrerseits versuchen, diese Systeme zu überlisten. Dies kann zu einer inflationären Verwendung von Schlüsselwörtern und Phrasen in Lebensläufen führen, um die Aufmerksamkeit der Algorithmen zu erregen. Infolgedessen wird die Qualität der Bewerbungen möglicherweise nicht verbessert, sondern verschlechtert.
Es ist wichtig zu betonen, dass KI nicht grundsätzlich negativ für den Bewerbungsprozess ist. Wenn sie sinnvoll eingesetzt wird, kann sie dazu beitragen, Bewerbungsprozesse effizienter und gerechter zu gestalten. Dennoch ist es entscheidend, dass Unternehmen und Bewerbende sich der Grenzen dieser Technologie bewusst sind und sicherstellen, dass sie nicht die menschliche Beurteilung und die persönliche Verbindung zwischen Unternehmen und Bewerbenden ersetzt.
Insgesamt sollte KI in der Bewerbung als Hilfsmittel betrachtet werden, das den menschlichen Entscheidungsprozess unterstützt, aber nicht ersetzt.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen und Bewerbende gleichermassen die Balance zwischen Automatisierung und menschlicher Beurteilung finden, um sicherzustellen, dass die besten Kandidaten:innen ausgewählt werden, ohne die Vielfalt und Individualität der Bewerbenden zu vernachlässigen.
Nur so kann KI ihr volles Potenzial entfalten und dazu beitragen, den Bewerbungsprozess für alle Beteiligten zu verbessern.