Mrz 5

Sind Sie ein Vermögenswert auf zwei Beinen oder nur ein ‘head count’?

Author: PersonalRadar

Humankapital ist als Unwort verpönt. Wenn die Manager jedoch ihre Mitarbeitenden wie wertvolles Kapital bewirtschaften müssten, gingen sie sorgsamer mit ihnen um. Ein Idealzustand.

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Viel Wasser, ein paar Gramm Salz und einige Spurenelemente. Das ist das Menschenmaterial. Viel Wert hat es nicht. Insofern wundert es nicht, dass manche Unternehmende ihre Angestellten auf die Strasse wirft wie die Neapolitaner:innen Porzellan an Silvester: in der Hoffnung auf ein gutes, neues Jahr. Gerade wenn das vergangene gar nicht so schlecht war, gönnen sich führende Unternehmer Einsparungen am ‚Humankapital‘ – und verschleudern unbezahlbaren Mehrwert.

Möchten Sie ‚Humankapital‘ sein?

Die Schliessung von Abteilungen resultiert in einer ausserplanmässigen Abschreibung von ‚Humankapital‘. Damit stellt sich die Frage: Welchen Wert hat ‚Humankapital‘? – Sorry. ‘Humankapital’ darf man nicht mehr sagen. Politisch unkorrekt. Das Wort, in dem die Essenz der Menschenwürde mit der harten Münze des Kapitals amalgamiert, wurde schon oft als Unwort erklärt, und die geneigten Lesenden spüren etwas. Im Begriff steckt politischer und ökonomischer Sprengstoff. Verstehen Sie sich als materielle Wertanlage mit der Lebensaufgabe, Zinsen zu tragen?

Humankapital erscheint als eine Ware, wie etwa eine Wurst, in dem das einzelne Stück Mensch zu einem undefinierbaren Anteil zerfasert.

Als ‚Humankapital‘ sind wir Objekte in den Händen von Humankapitalisten, die uns akquirieren, zu ihren Zwecken benutzen und uns anzuhäufen versuchen oder uns verhökern, fast wie einst, als es noch Sklav:innen gab. Im Begriff ‘Humankapital’ verrät sich ein Wort aus dem Wörterbuch der menschlichen Ausbeutung.

Das Wort ‘Menschenmaterial’ tauchte zum ersten Mal in einem Buch von Theodor Fontane mit dem Titel ‘Ein Sommer in London’ auf und war in einem militärischen Kontext gemeint. Karl Marx haute in die gleiche Kerbe in seinem weltberühmten Werk ‘Das Kapital’, um das angeblich wahre Gesicht des Kapitalismus zu entlarven. Die Auswirkungen sind bekannt. Dieses Werk der politischen Ökonomie hat ganze Wertesysteme in Frage gestellt und gestürzt. Das ‚Humankapital‘ blieb.

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Im Begriff ‘Humankapital’ steckt jedoch die Zukunft einer Wirtschaft und Gesellschaft, in der sich der marxistische Gegensatz von Kapital und Arbeit auflöst, denn Arbeit und Kapital, dieser Widerspruch zwischen Ausbeutenden und Ausgebeuteten, hat sich in reifen wie auch gut entwickelten Wirtschaftssystemen aufgelöst wie der Würfelzucker im Kaffee. Diese Entwicklung konnte selbst Karl Marx nicht erahnen.

Bei allem Überfluss an Arbeitskräften ist das sogenannte ‘Humankapital’ je länger, je mehr Mangelware, dessen Fehlen ein immer grösseres Ausmass annimmt. ‘Talent makes Capital dance’, das erlebt jeder am eigenen Leibe, der ausgewiesene Expert:innen oder berufserfahrene Fachkräfte sucht.

Doch Talent fällt immer durch seine auffallende Seltenheit auf. Und was selten ist, hat seinen Preis. Aber selbst unter den ‘Arbeitern:innen’ hat Arbeit den Ruch der rohen wie auch brutalen Ausbeutung verloren. Das junge Jahrtausend hat uns gelehrt, dass es besser ist, Arbeit in der Rolle als ‚Humankapital‘ zu haben, als Freizeit rund um die Uhr.

Langfristige Kapitalanlage

Der globale ‘homo oeconomicus’ von heute weiss, dass Kapital Zinsen trägt, pflegt sein eigenes ‘Humankapital’ und legt es mit Vorteil langfristig an. Einige menschliche Werte geniessen in unserer postindustrialisierten Wirtschaft einen steigenden, mit Gold aufgewogenen Wert: Leistungsbereitschaft und die Fähigkeit, Know-how sowie alle Mittel und Anstrengungen, diese zu erhalten und zu stärken, sind das wahre Kapital, und damit wertvoller als alles andere, was sich ein Kapitalist oder eine Kapitalistin der alten Schule vorstellen kann. Finanzkapital ist in der Regel schnell zur Stelle, wenn gute Ideen und ihre Umsetzer:innen überzeugen.

Arbeit als Gewinnfaktor

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Was Menschen vermögen, ist das begehrteste Gut. Seien das Fähigkeiten im Kommunizieren, im Singen, im Erfinden, im Fussballspielen oder im kreativen Schaffen von Mehrwert. Das ‘Vermögen’ von Harry Potters Erfinderin Joan Rowland lässt manche Neu- oder Altreiche, Banker:innen, globale Unternehmer:innen, ja selbst das britische Königshaus arm aussehen. Das alles erzählt das Wort ‘Humankapital’ in einem einzigen Wort.

Am menschlichen Vermögen oder eben Unvermögen – dem eigenen oder dem seiner Mitarbeitenden – entscheidet sich der Erfolg oder Misserfolg eines Managers. So stellt sich beispielsweise bei Fusionen oder Firmenübernahmen stets die entscheidende Frage, ob das Management gehen muss oder darf, oder unbedingt bleiben muss, um den zukünftigen Erfolg sicher zu stellen. Ein Grossteil dieser scheitert am Unvermögen, das akquirierte Unternehmen, sprich seine Leistungsträger:innen, sinnvoll zu integrieren.

Der Erfolgsanleger Warren Buffet zum Beispiel richtet seine Aktienportfolios selbst bei milliardenschweren Konzernen nicht zuletzt nach der Qualität der obersten Führungskräfte aus. Das zeigt auch: Der Wert des ‘Humankapitals’ ist von Mitarbeiter:in zu Mitarbeiter:in verschieden. Je tiefer die Hierarchiestufe und die Qualifikation, um so unbekümmerter werden Arbeitskräfte weiterhin als Kosten – als ‘head count’ – veranschlagt. In den postindustrialisierten Ländern gehört die Zukunft den Unternehmen mit Spitzenkräften auf allen Stufen.

Die Chance zu Mehrwert

Wenn es ein Kapital gibt, das dem Unternehmen dauerhafte und schwer nachahmbare Wettbewerbsvorteile bringt, ist es das ‘Humankapital’. In seiner neuen Dimension der Kreativität, Innovationskraft und sozialen Kompetenz, auf das in pampigen Reden und Hochglanzbroschüren so gepocht wird.

Anderseits, das sei gern zugestanden, erweisen sich Investitionen in diese Art von Kapital auch als äusserst risikoreich. Davon können Fussballclubs, die kaum über Finanzkapital und sogenanntes strukturelles Kapital verfügen, ein Lied singen. Wohl deshalb bilden noch nicht die Personalmärkte, sondern nach wie vor die Finanz und Kapitalmärkte den Dreh- und Angelpunkt der Wirtschaft. Das ’Humankapital’ bleibt noch im Schatten der glänzenden Zahlen.

Leider ist es bis heute weder erlaubt noch praktisch machbar, das ‘Humankapital’ präzise zu bilanzieren, doch wenn die ‘Humankapitalisten’ ihre Mitarbeitenden wie Kapital bewirtschaften müssten, gingen sie sorgsamer und effizienter mit ihnen um.

Wenn wir dem Humanen im engeren Sinn Kapitalwert verleihen, sind wir endlich dort, wo die Humanisten immer hinwollten, und Karl Marx auf halbem Weg stecken blieb: An der Schwelle zur nächsten Utopie.