Ferienpflicht statt Ferienfreude? Was rechtlich wirklich gilt…
Ferien gehören zu den wichtigsten Elementen der arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen. Sie dienen nicht nur der Erholung, sondern sollen auch die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Mitarbeitenden langfristig erhalten. Trotzdem sorgen sie in der Praxis regelmässig für Spannungen – besonders dann, wenn Arbeitgebende aktiv Einfluss auf den Zeitpunkt des Ferienbezugs nehmen.
In vielen Unternehmen ist es selbstverständlich, dass Angestellte ihre Ferien selbständig planen, sich absprechen und mit dem Vorgesetzten koordinieren. Umso grösser ist die Irritation, wenn das Unternehmen plötzlich vorgibt, wann Ferien zu nehmen sind – sei es durch Betriebsferien, Brückentage oder kantonale Feiertage. Die entscheidende Frage: Wie viel Mitspracherecht steht den Mitarbeitenden wirklich zu? Und wo beginnt die legitime Einflussnahme des Arbeitgebers?
Das Weisungsrecht des Arbeitgebers – rechtlich erlaubt, aber nicht unbegrenzt
Gemäss Art. 329c Abs. 2 OR liegt das Bestimmungsrecht über den Ferienzeitpunkt grundsätzlich immer beim Arbeitgeber. Er darf festlegen, wann Ferien bezogen werden – vorausgesetzt, er nimmt dabei auf die wirklich berechtigten Interessen der Arbeitnehmenden Rücksicht. Dieses sogenannte Weisungsrecht ist also nicht einfach ein Freipass zur einseitigen Willkür, sondern an die Pflicht zur Rücksichtnahme gekoppelt.
In der täglichen Praxis bedeutet das: Arbeitgebende müssen bei der Festlegung von Ferienzeiten auf persönliche Umstände achten – insbesondere auf familiäre Verpflichtungen, bereits gebuchte Reisen, gesundheitliche Bedürfnisse oder den Wunsch nach zusammenhängender Erholung. Wer all diese Aspekte ignoriert und Ferien willkürlich verteilt, riskiert nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch massive Frustration und schleichende Demotivation im Team.
Dennoch ist klar: In gewissen Fällen muss der Arbeitgebende das Recht haben, den Ferienzeitpunkt zu steuern – etwa dann, wenn die betriebliche Planung, die Produktion oder zum Beispiel die Koordination mit internationalen Standorten es erfordern. Dieses Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit und betrieblicher Notwendigkeit ist der Kern vieler Konflikte.
Betriebsferien als kollektives Steuerungsinstrument
Ein besonders häufiger Anlass für angeordnete Ferien sind sogenannte Betriebsferien. Diese betreffen ganze Abteilungen oder das gesamte Unternehmen und werden oft rund um Feiertage wie Weihnachten oder im Sommer eingesetzt – etwa dann, wenn die Auftragslage schwach oder die Maschinen stillgelegt werden.
Solche Betriebsferien sind arbeitsrechtlich zulässig, sofern sie frühzeitig und transparent kommuniziert werden. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass Betriebsferien in der Regel mindestens drei Monate im Voraus angekündigt werden müssen, um den Mitarbeitenden eine faire Planung zu ermöglichen. Zudem ist entscheidend, dass Betriebsferien im Gesamtumfang der jährlichen Ferienansprüche berücksichtigt werden – niemand darf dadurch übervorteilt werden.
Für die Personalabteilung bedeutet das: Wer Betriebsferien einführt, sollte dies klar regeln – idealerweise schriftlich im Personalreglement oder im Arbeitsvertrag. Auch Mischformen sind möglich: Einige Tage werden vom Unternehmen festgelegt (z.?B. Betriebsferien zwischen Weihnachten und Neujahr), der Rest steht zur freien Verfügung der Mitarbeitenden. Solche Modelle bieten Flexibilität und Planungssicherheit zugleich.
Kündigung und Ferien: Wenn das Guthaben schon weg ist
Ein besonders heikler Fall entsteht, wenn eine Mitarbeitende oder ein Mitarbeitender kündigt – und dabei das Ferienguthaben bereits nahezu vollständig aufgebraucht ist. Wenn nun gegen Jahresende Betriebsferien anstehen, stellt sich die Frage: Kann der Arbeitgeber verlangen, dass weitere Ferientage bezogen werden, obwohl das Ferienkonto leer ist?
Die Antwort lautet: Ja – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Der Arbeitgeber darf zwar weiterhin den Zeitpunkt bestimmen, aber eine allfällige Lohnkürzung für ‘unbezahlte Ferien’ setzt eine vertragliche Grundlage voraus. Das heisst: Es muss im Arbeitsvertrag, im Personalreglement oder in einer individuellen Absprache ausdrücklich vorgesehen sein, dass überzählige Ferientage als unbezahlte Zeit gelten.
Fehlt eine solche Regelung, bleibt der Lohnanspruch bestehen – selbst wenn der Betrieb ruht und keine Arbeitsleistung erbracht wird. Für Unternehmen ist dieser Punkt besonders heikel, da er rasch zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen führen kann. Eine präzise Formulierung im Vertrag (‘Betriebsferien gelten auch bei Kündigung als Ferienzeit, auch wenn das Ferienguthaben bereits aufgebraucht ist’) schafft hier Klarheit und schützt vor späteren Missverständnissen.
Wenn der Feiertag nicht überall gilt – kantonale Unterschiede und deren Folgen
Die Schweiz kennt 26 Kantone – und mindestens ebenso viele Feiertagsregelungen. Während in einem Kanton der 2. Januar oder Fronleichnam gesetzlich arbeitsfrei ist, gelten diese Tage in anderen Regionen als normale Werktage. Das stellt insbesondere Unternehmen mit Standorten in mehreren Kantonen vor Herausforderungen.
Ein typisches Beispiel: Der Hauptsitz eines Unternehmens befindet sich in einem Kanton mit einem gesetzlichen Feiertag. Die Zentrale schliesst an diesem Tag den Betrieb. In den Filialen anderer Kantone, wo dieser Feiertag nicht gilt, wird jedoch ebenfalls betriebsfrei gemacht. Darf der Arbeitgeber verlangen, dass die betroffenen Angestellten dafür einen Ferientag einsetzen?
Ja – das ist rechtlich zulässig, da der Arbeitgeber das Recht hat, den Zeitpunkt des Ferienbezugs zu bestimmen. Diese Praxis ist besonders in überregionalen Organisationen oder bei international agierenden Unternehmen verbreitet. Wichtig ist jedoch: Die betroffenen Mitarbeitenden müssen frühzeitig über solche Regelungen informiert werden, und sie sollten möglichst schriftlich im Personalreglement verankert sein.
Für die Personalabteilung bedeutet das: Kantonal unterschiedliche Feiertage sollten aktiv in die Jahresplanung integriert und offen thematisiert werden. So lassen sich Irritationen und Missverständnisse vermeiden – etwa die Frage, warum jemand in einem Kanton Ferientage einsetzen muss, während andere einen gesetzlichen Feiertag haben.
Die Fürsorgepflicht – rechtliche Schranke gegen Willkür
Trotz des Weisungsrechts des Arbeitgebers gibt es klare Grenzen – insbesondere die sogenannte Fürsorgepflicht gemäss Art. 328 OR. Diese verpflichtet Arbeitgebende, auf die Gesundheit, Würde und berechtigten Interessen der Mitarbeitenden Rücksicht zu nehmen. Das gilt auch und insbesondere bei der Ferienplanung.
Wer etwa einer alleinerziehenden Mitarbeiterin Ferien in einer schulpflichtigen Woche zuweist oder jemandem den geplanten Familienurlaub verweigert, obwohl keine zwingenden betrieblichen Gründe dagegensprechen, verstösst möglicherweise gegen diese Pflicht. Solche Konstellationen können nicht nur zu innerbetrieblichen Konflikten führen, sondern auch rechtlich anfechtbar sein.
Deshalb gilt: Ferienplanung ist auch eine Frage des Vertrauens und der Kultur. Wer als Unternehmen ernst genommen werden will, muss die Balance zwischen Betriebsinteresse und Mitarbeiterschutz sorgfältig wahren. Dazu gehört auch, bewilligte Ferien nicht kurzfristig zu widerrufen – ausser in absoluten Ausnahmesituationen, etwa bei einem gravierenden Notfall im Betrieb. Auch dann ist eine Kompensation oder Ersatzlösung zu prüfen.
Was die Personalabteilung tun kann – Prävention, Planung und Kommunikation
Die Ferienregelung ist mehr als ein organisatorisches Detail – sie ist ein strategisches Steuerungsinstrument. Wer als HR-Abteilung hier sorgfältig arbeitet, erspart sich unnötige Konflikte und sichert sich gleichzeitig die Loyalität der Belegschaft. Folgende Massnahmen sind empfehlenswert:
- Klare schriftliche Regeln zu Betriebsferien, Feiertagen, Brückentagen und Ferienanspruch bei Kündigung.
- Jährliche Ferienplanung, idealerweise digital unterstützt und mit Beteiligung der Mitarbeitenden.
- Kommunikation auf Augenhöhe, die erklärt, warum gewisse Zeiten vorgegeben sind und wie Rücksicht genommen wird.
- Transparente Umgangsweise mit Sonderfällen (z.?B. gebuchte Reisen, familiäre Situationen, Krankheit).
- Regelmässige Schulungen für Führungskräfte, damit diese rechtlich und kulturell korrekt mit dem Thema umgehen.
Schlussfolgerung: Zwischen Recht, Fairness und Realität
Ferien sind mehr als nur eine gesetzlich garantierte Auszeit – sie sind ein sensibler Bereich im Spannungsfeld von individueller Freiheit, wirtschaftlicher Effizienz und rechtlicher Verpflichtung. Arbeitgebende haben durchaus das Recht, den Zeitpunkt des Ferienbezugs festzulegen. Doch wer dabei nicht transparent, fair und mit Blick auf die Lebensrealitäten der Mitarbeitenden handelt, verspielt Vertrauen – und riskiert unnötige Reibung.
Das Personalwesen spielt dabei eine zentrale Rolle: als Brückenbauerin zwischen unternehmerischen Interessen und menschlichen Bedürfnissen. Je klarer die Regeln, je respektvoller der Umgang, desto eher wird aus der Ferienplanung ein partnerschaftlicher Prozess – und kein arbeitsrechtlicher Krisenherd.