Geschäftsreisen.
Wenn Arbeitnehmer im Auftrag des Arbeitsgebers auf Geschäftsreise sind oder eine Aus- oder Weiterbildungsveranstaltung besuchen, stellen sich oftmals Fragen im Zusammenhang mit der Arbeitszeit. Gilt die Reisezeit als Arbeitszeit? Wie verhält es sich, wenn Arbeitnehmer ins Ausland reisen müssen? Gilt die Hin- und Rückreise zu einer Weiterbildung auch als Arbeitszeit? (Ein Beitrag von: lic.iur. Fabienne Thiéven, Arbeitgeberverband Basel).
Mit den folgenden Ausführungen wollen wir Ihnen die rechtlichen Grundlagen aufzeigen und Antworten auf Fragen geben, die wir in unserer täglichen Auskunftspraxis immer wieder gestellt erhalten.
Die Arbeitszeit wird in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (ArGV 1) geregelt. Demnach gilt als Arbeitszeit diejenige Zeit, während der sich der Arbeitnehmer zur Verfügung des Arbeitsgebers zu halten hat. Es sind bei der Bemessung der Arbeitszeit weitere allenfalls anwendbare arbeitsgesetzliche Bestimmungen zu berücksichtigen, wie Dauer und Lage der Arbeitszeit, öffentlich-rechtliche Arbeitszeitvorschriften bezüglich wöchentlicher und täglicher Höchstarbeitszeit, Ruhezeiten und Pausen, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit, ununterbrochener Betrieb und Schichtarbeit. Diese Bestimmungen gelten für alle Arbeitnehmer, die dem Arbeitsgesetz (ArG) unterstehen. Sie sind demzufolge für Arbeitnehmer, die nicht dem Arbeitsgesetz unterstellt sind, nicht anwendbar (bspw. leitende Angestellte, vgl. Art. 3 ArG). Im Weiteren ist zu beachten, dass die zwingenden Bestimmungen des Arbeitsgesetzes gemäss dem Territorialitätsprinzip nur in der Schweiz Geltung haben. Das heisst, dass dem schweizerischen Arbeitgeber eine Verletzung der Arbeitszeitvorschriften durch seine Arbeitnehmer im Ausland zwar nicht unmittelbar vorgehalten werden kann. Im Ausland ist vielmehr das jeweilige (territoriale) Landesrecht anwendbar. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass in einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit dem Arbeitgeber eine mangelnde Arbeitsorganisation bei Arbeitseinsätzen im Ausland vorgehalten wird, und eine solche sich im Urteil eines schweizerischen Richters als anspruchsbegründend auswirken könnte. Weil das Gesetz neben den genannten Bestimmungen keine weiteren Vorschriften betreffend die Arbeitszeit auf Geschäftsreisen bereithält, empfiehlt sich eine ausdrückliche vertragliche Arbeitszeitregelung für alle betroffenen Mitarbeitenden.
Geschäftsreisen
Wie steht es nun um die Geschäftsreise, zählt diese auch zur Arbeitszeit? Sobald sich der Arbeitnehmer im Auftrag des Arbeitsgebers auf Reisen begibt, um an einem anderen, als dem vertraglich vereinbarten Arbeitsort seine Arbeit zu verrichten, kann er nicht mehr frei über seine Freizeit verfügen. Daher regelt Art. 13 Abs. 2 ArGV1 Folgendes: «Ist die Arbeit ausserhalb des Arbeitsortes zu leisten, an dem der Arbeitnehmer normalerweise seine Arbeit verrichtet, und fällt dadurch die Wegzeit länger als üblich aus, stellt die zeitliche Differenz zur normalen Wegzeit Arbeitszeit dar».
- Reisetätigkeit im Inland – Geschäftsreisen im Inland fallen unter Art. 13 ArGV1. Bsp.: Herr Wolf wohnt in Binningen und arbeitet bei einer Unternehmung in Basel. Nun muss Herr Wolf auf Anweisung des Arbeitgebers an einer Tageskonferenz in Genf teilnehmen. Die Reisezeit von Binningen nach Genf, nach Abzug der Zeit, die Herr Wolf normalerweise benötigt, um sich von Binningen nach Basel zu begeben, gilt als Arbeitszeit. Zudem sind auch die vorgeschriebenen Ruhezeiten zu berücksichtigen, insbesondere Art. 13 Abs. 3 ArGV1 der besagt, dass bei Rückreisen von auswärtigen Arbeitsorten der Zeitraum der täglichen Arbeitszeit oder die wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten werden darf. Die tägliche Ruhezeit von 11 Stunden beginnt jedoch in solchen Fällen erst nach dem Eintreffen des Arbeitnehmers an seinem Wohnort zu laufen. Bsp.: Die Konferenz von Herrn Wolf endet um 18.00. Für die Rückreise benötigt Herr Wolf gut 3 ½ Stunden, so dass er um 21.30 an seinem Wohnort in Binningen ankommt. Berücksichtigt man die Ruhezeit von 11 Stunden, darf Herr Wolf seine Arbeit am nächsten Tag frühestens um 8.30 aufnehmen.
- Reisetätigkeit im Ausland – Wie verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer im Auftrag des Arbeitgebers ins Ausland reist, um seine Tätigkeit auszuüben? Wie bereits erwähnt, bestehen in diesem Fall keine klaren gesetzlichen Regelungen, da aufgrund des Territorialitätsprinzips die Bestimmungen des schweizerischen Arbeitsgesetzes im Ausland nicht anwendbar sind. Auch eine klare und einheitliche Praxis betreffend die Regelung der Arbeitszeit auf Geschäftsreisen im Ausland ist nicht greifbar. Es gilt daher, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine vertragliche Regelung zu finden, die einerseits den Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers gewährleistet und dafür sorgt, dass der Arbeitnehmer genügend erholt an den Arbeitsplatz zurückkehrt und anderseits den Interessen des Arbeitgebers genügt, um auf die Arbeitskraft des Arbeitnehmers adäquat zugreifen zu können. Die vertragliche Regelung kann sich dabei an die Reglungen im schweizerischen Arbeitsgesetz anlehnen. So wird bei längeren Reisezeiten (Bsp. Interkontinentalflügen) verschiedentlich die tägliche Sollarbeitszeit gutgeschrieben. Bei Kaderpositionen mit Vertrauensarbeitszeit wird die Reisezeit häufig nicht berücksichtigt; diesem Umstand kann allenfalls bei der Lohngestaltung Rechnung getragen werden. Eine sinnvolle Regelung sollte sowohl die Bedürfnisse des Arbeitgebers und die individuellen Anforderungen an die jeweilige Funktion als auch die Interessen des Arbeitsnehmers berücksichtigen. Ihre Grenzen findet die vertragliche Regelung jeweils im Missbrauch. Eine missbräuchliche Regelung oder eine solche zu krassen Ungunsten des Arbeitnehmers findet, auch wenn Sie so vereinbart wurde, voraussichtlich keinen Rechtsschutz. Reisezeit bei Aus- und Weiterbildungen Aus- und Weiterbildungen, die von den Arbeitgebern angeordnet werden oder gesetzlich für die auszuübende Tätigkeit vorgeschrieben sind, zählen ebenfalls als Arbeitszeit (Art. 13 Abs. 4 ArGV1). Dies beinhaltet auch die Reisezeit an den Ausbildungsort. Handelt es sich jedoch um keine angeordnete Aus- oder Weiterbildung, sondern um eine solche, die für Arbeitnehmer und Arbeitgeber von Interesse ist, indem sie beispielsweise die Einsatzfähigkeit im Betrieb und die Arbeitsmarktfähigkeit des Arbeitnehmers gleichermassen steigert, empfehlen wir, eine schriftliche Ausbildungsvereinbarung abzuschliessen. Darin können insbesondere die Verteilung der Ausbildungskosten, eine allfällige Rückzahlungsklausel sowie die Anrechnung der Weg- und Studienzeit an die Arbeitszeit geregelt werden.
Grundsätzlich gehört der Arbeitsweg gemäss Art. 13 Absatz 1 ArGV1 nicht zur Arbeitszeit. Verrichten Arbeitnehmer auf dem Arbeitsweg bereits Arbeiten für den Arbeitgeber, so kann die benötigte Zeit grundsätzlich nicht an die Arbeitszeit angerechnet werden. Besteht hingegen eine vertragliche Vereinbarung oder wurde diese Arbeit ausdrücklich durch den Arbeitgeber angeordnet, so kann auch der Arbeitsweg als Arbeitszeit angerechnet werden. Im Rahmen einer solchen Vereinbarung empfiehlt es sich für die Arbeitgeber, neben der Anrechnung der Wegzeit als Arbeitszeit zusätzlich allfällige Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitserfordernisse bei Verrichtung der Arbeit an öffentlichen Orten (bspw. Zug, Flugzeug usw.) zu regeln.
Umfrage im Raum Basel
Eine kleine Umfrage im Raum Basel hat ergeben, dass die meisten Firmen über Regelungen zu Geschäftsreisen wie auch zu Aus- und Weiterbildungen, sei es in einem Reglement oder in den Einzelarbeitsverträgen, verfügen.
Fazit und Empfehlung:
Handelt es sich um Geschäftsreisen im Inland, sind die zwingenden Bestimmungen des Arbeitsgesetzes zu berücksichtigen. Es gelten somit der effektiv geleistete Einsatz als auch die Reisezeit als Arbeitszeit. Bei Reisetätigkeit ins Ausland finden die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes keine Anwendung. Wir empfehlen den Arbeitgebern, eine vertragliche Regelung zu vereinbaren, welche die Reisetätigkeit im Zusammenhang mit auswärtigen Einsätzen sowohl im Inland als auch im Ausland regelt. Bei Aus- und Weiterbildungen empfehlen wir den Abschluss einer schriftlichen Ausbildungsvereinbarung, welche insbesondere die Verteilung der Ausbildungskosten unter den Parteien, allfällige Rückzahlungsklauseln und die Anrechnung der Studienzeit als Arbeitszeit regelt. Sollten Sie Fragen haben zum Thema Geschäftsreisen oder Unterstützung bei der Ausarbeitung einer Regelung benötigen, steht Ihnen die Rechtsberatung des Arbeitgeberverbandes Basel gerne zur Verfügung.