Schafft das Arbeitszeugnis ab oder schreibt die Wahrheit.
Die Aussagequalität und der innere Gehalt vieler Arbeitszeugnisse nehmen stetig ab. Viele Arbeitszeugnisse sind nur noch wohlwollend. Das macht sie unglaubwürdig und unnütz. Die Wahrheit bleibt auf der Strecke.
Das Ausfertigen von Arbeitszeugnissen verkommt immer mehr zu einer lästigen Pflicht- und Alibiübung. Es wird geflunkert, gelogen und bis zur Unkenntlichkeit optimiert, so dass am Schluss schlechte Arbeitnehmende plötzlich zu Supermitarbeiter mutieren, obwohl das nicht wirklich der Wahrheit entspricht.
Was ist geschehen? Eigentlich nicht viel. Es ist die wachsende Klagefreudigkeit vieler Arbeitnehmenden, die sich die Mühe nehmen und das Arbeitsgericht anrufen, wenn sie mit ihrem Arbeitszeugnis nicht einverstanden sind. Immer in der Hoffnung, dass ein bestehendes Arbeitszeugnis mit juristischem Druck aufgebessert werden kann.
Es ist aber auch der fatalen Faulheit und Laxheit vieler Arbeitgebenden geschuldet, die Arbeitszeugnisse mit einem Textgenerator erstellen lassen und dann nur noch aus einem Wust von Adjektiven aussuchen müssen, um wenigstens noch ein bisschen an individueller Beurteilung gewährleisten und durchscheinen zu lassen. Zudem sind viele wichtige Vorkommnisse nicht sauber dokumentiert und abgelegt. Das erschwert die Ausfertigung von formal richtigen Arbeitszeugnissen, die auch die Historie einer Anstellung korrekt abbilden.
Zudem wird diese Arbeit immer mehr auch an unerfahrene Mitarbeitende in der HR Abteilung ausgelagert, weil das Ausfertigen von Arbeitszeugnissen unbeliebt ist. Oft passieren dann grobe Schnitzer und andere Unzulänglichkeiten, die bei näherer Betrachtung nicht nötig wären und den Eindruck entstehen lassen, dass es mit der Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden doch nicht so weit her ist, wie es oft in den unternehmerischen Leitbildern kolportiert wird. So werden ohne Not juristische Minenfelder geschaffen, die dazu führen, dass man zum Schluss vor dem Arbeitsgericht landet. Es entstehen Reputationsschäden. Der Arbeits- wie auch Zeitaufwand wird unterschätzt. Die zuweilen nicht unerheblichen Folgekosten werden ebenso grosszügig ignoriert.
Negative wie auch positive Vorkommnisse und Ereignisse während einer Anstellung, werden vielerorts gar nicht mehr dokumentarisch oder schriftlich festgehalten, damit diese bei der Ausfertigung der Texte noch die Wirklichkeit der vergangenen Arbeitsperformance korrekt abbilden. Nicht selten ist nichts von all dem vorhanden. Wie kann man dann seriös, objektiv und klar ein Arbeitszeugnis erstellen, wenn die dazu nötigen Fakten nicht da sind?
Es ist besonders mühsam, wenn Arbeitnehmende lange im Betrieb waren, es in der Personalabteilung aber zu vielen Veränderungen kam und die Zeugniskultur nicht aufrecht erhalten werden kann, weil sie schon lange als obsolet oder unwichtig betrachtet wird. Es gibt vielleicht auch keine Zwischenzeugnisse, die eine Grundlage an Informationen bilden könnten. Meistens artet das dann in einen textlichen Balanceakt aus.
Das berufliche Fortkommen der Arbeitnehmenden darf nicht unnötig und schon gar nicht bösartig behindert werden. Zudem heisst es aber auch, dass man zur Wahrheit verpflichtet ist und auch die Sachen in ein Arbeitszeugnis schreibt, die vielleicht etwas heikler sind. In diesen Fällen nimmt man gerne die codierten Ausdrücke zu Hand und versucht es mit diesen. Aber auch das ist eine Lotterie.
Werden diese nicht korrekt angewendet, weil man sie missversteht oder einfach die Anwendungserfahrung fehlt, geht der Schuss meistens nach hinten los. Kein Wunder enden solche Fälle dann immer mehr vor dem Kadi. Auch das Bekenntnis, das Arbeitszeugnisse uncodiert verfasst wurden, hilft nicht immer weiter. Gerade dann nicht, wenn es gespickt ist mit Codes und mehr Verwirrung als Orientierung schafft.
Arbeitszeugnisse sind dann wirklich aussagekräftig und seriös, wenn sich diese inhaltlich auf Fakten stützen können, die auch im Personaldossier sauber dokumentiert sind. Alles andere verkommt dann in der Tat zu einer Pflichtübung, die nur ärgert und im schlimmsten Fall vor dem Arbeitsgericht landet.