Das Arbeiten nach der Pension muss rentenbildend sein.
Der Fachkräftemangel verschärft sich. Viele kluge Köpfe gehen in Pension. Das Fachwissen ebenso. Das Arbeiten über die Pensionsgrenze hinaus lohnt sich, meinen viele. Das ist nur bedingt richtig. Die persönliche Befriedigung an einer Tätigkeit über die Pensionierung hinaus, mag vielleicht durchaus eine Antreiberin sein, die vorherrschenden finanziellen Rahmenbedingungen der AHV sind es jedoch nicht.
Viele kommen ins Pensionsalter. Viele fühlen sich frisch, munter und fit. Warum nicht länger arbeiten und den Bezug der AHV hinauszögern, um zu profitieren? Dem ist leider nicht so. Im Moment (Stand 2021) beträgt die Vollrente der AHV für Einzelpersonen CHF 2’390.- und für Ehepaare CHF 3’585.-. Schon allein dieser Unterschied ist stossend. Alleinstehende, Geschiedene oder im Konkubinat lebende haben ökonomische Vorteile.
Nur gerade ein bisschen mehr als 40% aller Pensionierten kommen in den Genuss der vollen Rente. Viele haben Beitragslücken oder haben nicht genug einbezahlt und erhalten deshalb weniger. Arbeitet man nach der Pensionierung weiter, muss man auch AHV-Beiträge zahlen. Dabei ist es jedoch ein Trugschluss zu glauben, dass man dann mehr Geld als Rente erhält. Diese Beiträge sind nicht rentenbildend. Warum soll man dann weiterarbeiten?
Diese sozialversicherungsrechtlichen Unzulänglichkeiten sind nicht mehr zeitgemäss. Die Lebenserwartung nimmt zu und es gibt viele, die sich ein Arbeiten nach dem offiziellen Pensionsalter gut vorstellen können oder einfach weiterarbeiten müssen, weil die Vorsorge nicht ausreicht, um einen würdigen Lebensabend antreten zu können.
Viele wissen um den alten Spruch ‘Wer rastet, der rostet’. Scheidet man aus dem Arbeitsleben aus, gibt es viele ‘Neo-Pensionäre/-innen’, die fest daran glauben, dass man nach einem anstrengenden Berufsleben mehr Bücher liest, Rosen züchtet, die Welt entdeckt oder mehr Zeit für die Familie hat, wenn die Gesundheit es zulässt.
Es gibt aber auch viele, die interessante Berufe haben, die geistig stimulieren, jung halten und denen das Verdienen eines Einkommens nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, da die materiellen wie auch finanziellen Bedürfnisse, den ideellen prononciert weichen. Nichts macht so schnell alt wie die Langeweile. Ob dann im Luxus oder in Armut macht keinen so grossen Unterschied. Das Anreizsystem für eine selbst gewählte längere Berufsdauer muss neu ausgestaltet werden und der wirtschaftlichen Realität besser entsprechen. Immer mehr reife, gut ausgebildete Jahrgänge würden gerne länger arbeiten, sehr oft in Teilzeit, um ihre Expertise und Erfahrung weiterhin anbieten zu können.
Um das Anreizsystem zu verbessern, wäre es wichtig, wenn AHV-Beiträge auch über das Rentenalter hinaus rentenbildend sind. Mit anderen Worten man arbeitet über das Rentenalter hinaus, bezieht schon Rentengeld, zahlt über die abgerechneten Lohnbezüge weiterhin in die AHV ein und lässt die Rente neu berechnen, wenn man sich dann endgültig zur Ruhe setzt. Ein Einzahlen in die AHV-Kasse sollte bis zum Alter von 70 Jahren möglich sein. Viele Spezialisten/-innen würden liebend gerne weiterarbeiten und ihrem Leben als fast Pensionierte die Würze beimengen, die es für einen interessanten Lebensabend braucht.
Die Revision dieses wichtigen Sozialversicherungswerkes hängt seit vielen Jahren in den Seilen. Zu ehrgeizig oder mutlos waren in der Vergangenheit die Vorhaben aller Akteure/-innen und Anspruchsgruppen, die Auslegeordnung der AHV so zu ordnen, dass sie es unbeschadet in die Moderne schafft und die Finanzierung über weitere Jahrzehnte stabil bleibt.
Die Modernisierung des Sozialwerkes ist schwierig. Viele Gestaltungswillige packen in diese ideologische Ansprüche und ökonomische Hoffnungen. Die Emotionen wie auch Erwartungen, hüben wie drüben, sind spürbar. Die trockene versicherungsmathematische, demografische Sichtweise geht vergessen und die harte Wirklichkeit wird verzerrt abgebildet. In diesen Zeiten ein gesellschaftstragendes Sozialversicherungskonstrukt so umzugestalten, das es einfach überlebt, fordert alle und ist anspruchsvoll.
Das rentenbildende Aufbessern der AHV nach der offiziellen Erreichung der Pensionsgrenze sollte möglich sein. Dabei steckt einmal mehr der Teufel im Detail. Pensionierte haben einen monatlichen Freibetrag von CHF 1’400.- Das heisst mit anderen Worten, dass erst über diesem Betrag Arbeitnehmende und Arbeitgebende wieder AHV-Beiträge einzahlen müssen. Es gibt Pläne diese Summe nochmals zu erhöhen. Wie höher diese ist, desto wenig attraktiv wird es für Arbeitnehmende, die über das Rentenalter hinaus arbeiten wollen oder sogar müssen. Die Arbeitgeber sparen jedoch Geld und sind verständlicherweise daran interessiert, dass diese Freigrenze nach oben gesetzt wird. Das rentenbildende Konstrukt ist dann so gut wie Makulatur.
Die dringend nötige Revision der AHV ist schwierig. Das Kernproblem ist eigentlich nicht der Freibetrag, sondern die Erhöhung des Frauenrentenalters von 64 auf 65 Jahre. Das entlastet die Rentenkassen um Milliardenbeträge. Dafür wollen die Frauen zurecht eine Kompensation in der Austarierung der Modalitäten. Das ist nicht einfach.
Gibt es keine Einigung, dann blutet dieses Sozialversicherungswerk langsam aus und die Probleme fangen erst richtig an. Es bleibt zu hoffen, dass die nächste AHV-Revision endlich klappt, die pragmatische Politik der konstruktiven Teillösungen Auftrieb erhält und die Obstruktion gegen die nötigen Anpassungen der Erkenntnis weicht, dass keine Revision keine Vision sein kann.