März 17

Career Cushioning: Der stille Aufstand.

Author: PersonalRadar

Die Loyalität der Arbeitnehmenden ist längst nicht mehr das, was sie einmal war. Die leisen, unmerklichen Verschiebungen in der Arbeitswelt sind ein Menetekel für alle, die noch an die Illusion fester Arbeitsverhältnisse glauben. Career Cushioning ist keine Randerscheinung mehr, sondern eine stille Rebellion gegen die Abhängigkeit von einem einzigen Arbeitgeber.

(Bildquelle: www.freepik.com)

Längst bevor eine Kündigung auf dem Tisch liegt, beginnt der clevere Arbeitnehmer sich abzusichern. Diskret, unauffällig und strategisch baut er sein Netzwerk aus, poliert seinen CV und erkundet alternative Karrieremöglichkeiten – während er auf dem Papier noch ein loyaler Mitarbeiter ist. Unternehmen stehen dem hilflos gegenüber, oft ahnungslos, bis es zu spät ist. Doch der grösste Fehler wäre, Career Cushioning als Ausnahme abzutun. Es ist die neue Realität – und wer sie ignoriert, wird verlieren.

Was ist Career Cushioning?

 

Career Cushioning beschreibt die bewusste Strategie von Arbeitnehmenden, sich frühzeitig für den Fall eines Jobverlusts oder eines unerwarteten Karrierebruchs abzusichern. Dies geschieht durch gezieltes Netzwerken, Weiterbildung oder das Verfolgen neuer beruflicher Perspektiven – ohne aktiv zu kündigen. Es ist eine Art ‘Karriere-Airbag’, der verhindern soll, dass eine unerwartete Kündigung oder eine toxische Arbeitsumgebung zu einem abrupten Absturz führt. Besonders in wirtschaftlich unsicheren Zeiten gewinnt diese Praxis an Bedeutung. Unternehmen, die dieses Phänomen ignorieren, laufen Gefahr, ihre besten Talente leise und unbemerkt zu verlieren.

Ist Career Cushioning ein Trend oder der Normalzustand?

Die Zeiten, in denen ein Job so sicher war wie der nächste Sonnenaufgang, sind schon lange vorbei. Wer heute blind auf die Stabilität einer Firma vertraut, ist naiv. Wirtschaftskrisen, Fusionen, strategische Neuausrichtungen – das Damoklesschwert der Unsicherheit hängt über jedem Arbeitsplatz.

Arbeitnehmende haben ihre Lektionen gelernt: Unternehmen sind nicht immer loyal zu ihnen, warum also sollten sie es umgekehrt sein?

Die Corona-Pandemie hat dieses Bewusstsein nur verschärft. Plötzlich fanden sich Millionen von Menschen auf der Strasse wieder, oft ohne Vorwarnung. Wer sich bereits vorher ein ‘Karriere-Polster’ aufgebaut hatte, konnte eventuell weich landen. Wer sich auf den guten Willen seines Arbeitgebers verlassen hatte, fiel oft sehr hart und ungebremst in den Abgrund. Seitdem haben sich die Spielregeln verändert. Career Cushioning ist nicht mehr die Strategie einer kleinen, besonders vorsichtigen Minderheit. Es ist zur Notwendigkeit geworden.

Und es sind nicht nur die Jungen, die sich absichern. Selbst altgediente Mitarbeitende beginnen zu begreifen, dass Treue zum Unternehmen kein Garant für Sicherheit ist. Wer sich über Jahre hinweg auf einen einzigen Arbeitgeber verlässt, riskiert im entscheidenden Moment, ohne Optionen dazustehen. Das Bewusstsein dafür ist mittlerweile tief in der Arbeitswelt verankert.

Kontrolle in einer unkontrollierbaren Welt

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Psychologisch betrachtet, geht es beim Career Cushioning um weit mehr als nur wirtschaftliche Sicherheit. Es geht um subtile Kontrolle. Nichts ist bedrohlicher als die Vorstellung, plötzlich ohne berufliche wie auch wirtschaftliche Perspektive dazustehen. Wer sein Netzwerk pflegt, sich gezielt weiterbildet und Alternativen auslotet, nimmt das Heft in die eigene Hand und macht sich unabhängiger.

Dazu kommt ein unterschätzter Faktor: Selbständigkeit. Arbeitnehmende haben erkannt, dass ein einziger Job hie und da nicht genügt. Sie starten nebenberuflich kleine Projekte, investieren gezielt in ihre Weiterbildung und bauen ihre digitale Sichtbarkeit auf den Karriereportalen forsch aus. Diese Entwicklung ist für Unternehmen gefährlich, denn sie sorgt dafür, dass immer mehr Angestellte nur noch mit einem Bein und halbem Hirn im Unternehmen stehen.

Globale Unterschiede – Warum Career Cushioning von Land zu Land variiert

Die Arbeitskultur bestimmt, wie stark Career Cushioning verbreitet ist. In den USA ist es fast schon eine Tugend, immer auf dem Sprung zu sein. In Europa galt lange die Devise, dass ein sicherer Job das höchste Gut ist. Doch auch hier bröckelt diese liebgewonnene Tradition. Nichts mehr ist sicher.

In Ländern wie der Schweiz oder Deutschland haben Arbeitnehmende nach wie vor eine starke Bindung zu ihren Arbeitgebenden – doch die jüngeren Generationen sehen das in der Zwischenzeit total anders. Die Dynamik des globalisierten Arbeitsmarktes hat dafür gesorgt, dass sich Karriereplanung nicht mehr nur innerhalb eines Unternehmens abspielt, sondern als permanentes Optimierungsprojekt. In Asien, insbesondere in Japan, wo jahrzehntelang Loyalität zum Arbeitgeber das Nonplusultra war, entstehen immer mehr ‘Job-Hopper’. Wer das ignoriert, verliert.

Mitarbeitende sind längst gegangen, ohne zu kündigen

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Viele Unternehmen glauben, dass eine schnell ansteigende Fluktuation erst dann ein Problem ist, wenn die Kündigungen zuhauf auf dem Tisch liegen. Doch in Wahrheit beginnt sie viel früher – unsichtbar, schleichend, kaum wahrnehmbar. Mitarbeitende, die sich innerlich verabschiedet haben, investieren weniger Energie, sind weniger innovativ und zeigen weniger Engagement. Sie sind noch da, aber nur auf dem Papier. Die innere Kündigung ist schon lange vollzogen.

Diese unsichtbare, schleichende, aber stille Fluktuation ist weitaus gefährlicher als offene Kündigungen, die den langsamen Zerfall des Bestehenden offensichtlich machen. Sie untergräbt die Produktivität, die Effizienz und die vielleicht mühsam und über Jahre aufgebaute Unternehmenskultur, ohne dass es sofort auffällt. Unternehmen, die dieses Phänomen nicht erkennen, erliegen der Illusion, alles sei in Ordnung – bis es zu spät ist und der Scherbenhaufen nicht mehr zu übersehen ist.

Kontrolle zurückgewinnen – ohne Zwang, aber mit Vision

Unternehmen, die Career Cushioning verhindern wollen, müssen den Grund dafür beseitigen: Unsicherheit, fehlende Entwicklungsmöglichkeiten und mangelnde Wertschätzung. Unternehmen, die langfristig erfolgreich sein wollen, brauchen eine klar definierte Zukunftsplanung, die nicht nur Kunden begeistert mitreisst, sondern auch ihre Mitarbeitende abholt und dafür sorgt, dass die Identifikation mit den Zielen des Unternehmens nicht abreisst.

  • Karriereentwicklung als Priorität: Wer weiss, dass er sich innerhalb des Unternehmens weiterentwickeln kann und aktiv gefördert wird, sucht seltener nach Alternativen. Gut ausgestaltete, verbindliche Karriereplanungen und auch geldwerte Unterstützung bei der Weitebildung, üben in der Regel eine sehr starke Bindung zugunsten des Unternehmens aus. Es lohnt sich für solche Mitarbeitende zu bleiben und sich zu binden. Es lohnt sich schlussendlich für beide Seiten. Mitarbeitende kommen vorwärts und das über Jahre akkumulierte Betriebswissen bleibt der Unternehmung erhalten.
  • Mitarbeiterbindung durch echte Wertschätzung: Wertschätzung ist mehr als nur ein gutes Gehalt oder ein flotter Spruch auf der Webseite des Unternehmens. Sie sollte der mächtige Anker der Stabilität im Unternehmen bilden. Sie bedeutet Transparenz, Fairness und eine Unternehmenskultur, die den Menschen wirklich ins Zentrum stellt und nicht nur als Rädchen in der Bilanz wahrnimmt
  • Arbeiten mit Sinn: Mitarbeitende bleiben dort, wo sie das Gefühl haben, dass ihre Arbeit eine Bedeutung hat und auch als wertvoll wahrgenommen wird. Wer eben nur ein betriebswirtschaftliches Rädchen im Getriebe ist, wird sich früher oder später nach einer Arbeit umsehen, die erfüllender und vielleicht auch sinnstiftender ist.

Wer sich verändert, gewinnt

Die Arbeitswelt wird sich in den nächsten Jahren radikal wandeln. Die wirtschaftliche Disruption wird Teil der Wirklichkeit und viele liebgewonnenen Selbstverständlichkeiten, Illusionen, sozialromantische Träumereien oder gut gemeinte Wolkenkuckucksheime unter den Boden pflügen.

Career Cushioning ist dabei nur ein kleines Symptom einer grösseren Veränderung. Die Menschen erwarten heute ganz klar mehr arbeitsbezogene Flexibilität, mehr Klarheit bei den Entwicklungschancen und eine ehrliche Work-Life-Balance, die das Hamsterrad verlangsamt und die Lebensqualität erhöht. Unternehmen, die stur an alten Strukturen festhalten, werden es schwer haben potenzielle Talente anzuziehen, weil diese es als ‘uncool’ betrachten für solche Firmen tätig zu sein.  

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Die Zukunft gehört den Unternehmen, die es schaffen, Mitarbeitende nicht durch Verträge oder Angst zu binden, sondern durch Inspiration und echte Perspektiven. Es gibt zwei Wege: Entweder man bekämpft Career Cushioning und verliert auf lange  Sicht an innerer Substanz – oder man gestaltet eine Arbeitswelt, in der es überflüssig wird.

Arbeitgebende verursachen Career Cushioning

Career Cushioning ist keine Laune verwöhnter Arbeitnehmender. Es ist die logische Konsequenz aus einem System, das keine Sicherheit mehr bietet. Unternehmen können es sich nicht leisten, dieses Phänomen zu ignorieren.

Die besten Talente denken immer einen Schritt voraus – und wenn Arbeitgebende nicht denselben Schritt gehen, werden sie irgendwann aufwachen und feststellen, dass sie allein dastehen.