März 18

Bestimmt das Gesicht oder die Stimme über die Anstellung? Künstliche Intelligenz ist noch zu dumm dafür. Noch.

Author: PersonalRadar

Künstliche Intelligenz oder einfach kurz KI genannt ist faszinierend. Sie suggeriert das einfache Lösen von komplexen Problemen. Das ist leider ein Trugschluss.

Künstliche Intelligenz ist faszinierend. Sie beeinflusst immer mehr Bereiche des Lebens (Bildquelle: www.pixabay.com; Grafiker: Gerd Altmann)

Künstliche Intelligenz kommt in vielen Bereichen des Lebens zum Einsatz. Aufgrund ihrer algorithmischen Grundausstattung besitzt sie die Fähigkeit den wachsenden ‘Datenschatz’ so zu analysieren, dass sie dabei ihre Interpretierkompetenz andauernd vertieft und ihre Entscheidungen über die Handlungsweise spürbar verbessert.

Die maschinelle Intelligenz ist schon in vielen Bereichen im Einsatz und erleichtert das Leben der Menschen. Die Faszination über die vielen Anwendungsmöglichkeiten ist so alt wie die ersten mathematischen Theoreme, die sich damit beschäftigten.

Stellen sie sich vor sie besitzen einen fleissigen mit KI ausgerüsteten Haushaltroboter, der nicht nur das Geschirr nach dem Essen abräumt, es in die Geschirrwaschmaschine stellt, nach dem Waschvorgang dieser entnimmt und am richtigen Ort versorgt.

Vielleicht stellt diese Maschine auch noch fest, dass ihr Essverhalten ungesund ist, über das Internet (IoT) gesundheitsfördernde Lebensmittel bestellt, diese schonend verarbeitet und sie bekocht als wären sie in einem Gourmettempel. Dabei stellt die Software des Roboters fest, dass sie sich immer wieder an den Kopf greifen, Medikamente schlucken und die Schläfen massieren.

Die menschliche Software im Kopf würde schnell auf Migräne schliessen und die Verhaltensweise als angemessen wie auch richtig taxieren. Die Maschine misst jedoch ihre Atemluft, analysiert die Aerosole und kommt zum Schluss, dass es gut wäre einen Arzt aufzusuchen, der sich mal die Leber, selbstverständlich mit Hilfe von KI, richtig ansieht. Die Maschinen werden von Tag zu Tag klüger, erleichtern den Alltag der Menschen und erhöhen die Lebensqualität.

Der Mensch mag Bequemlichkeit. Warum sich anstrengen, wenn KI dazu beiträgt, dass es einfacher geht?

Die Software im Kopf des Menschen ist alt. Auch sie lernt aufgrund von Genetik, Erfahrung, Prägung und Aufnahme von Wissen mehr oder weniger täglich dazu. Der Mensch denkt jedoch selten nur sachlich, wissensbasiert und vorurteilslos. Er ist seiner biologischen Entwicklungsgeschichte, seinem Wissenstand, seinen Gefühlen, seinen Erfahrungen und seiner sozio-kulturellen Prägung stets ausgesetzt.

Das sind Voraussetzungen, die nicht immer zu vorurteilslosen Betrachtungen und Entscheidungen führen. Der Mensch ist auf das zurückgeworfen, was ihn formte und somit ausmacht. Die Individualisierung der humanen Intelligenz beeinflusst seine Entscheidungskompetenz und pulverisiert nicht selten die gebotene Objektivität. Mit anderen Worten entscheidet er nicht immer richtig, angemessen, wissensbasiert und fair.

Sehr oft kommen Entscheidungen aus dem Bauch, die im ersten Augenblick irrational wirken, aber oft erstaunlich richtig sind, da der Mensch in seiner Gesamtheit nicht nur eine beschränkte Wertegruppe mit seiner Software ausanalysiert, sondern sich auch für andere Eindrücke interessiert, die sich dann zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Das ist nicht immer objektiv, aber menschlich und hat die Menschen seit Menschengedenken erfolgreich vor Gefahren geschützt.

Ob die Cloud als wachsende Datenkrake mal humanoid wird, wünscht sich wahrscheinlich kein Mensch (Bildquelle: www.pixabay.com; Grafiker: Gerd Altmann)

Die Rekrutierung von Menschen für ein Unternehmen ist ein anstrengender Prozess. Menschen sind nicht einfach ein Stückgut, das sich immer gleich verhält und daher bei der Auswertung der Daten verlässliche Werte produziert. Menschen sind einzigartig, komplex und vielschichtig. Sie mit KI zu interpretieren ist interessant, aber technologisch anspruchsvoll, wenn nicht sogar im Moment einfach zu verfrüht oder schlichtweg unmöglich.

In grossen Firmen mit grossen Personalbeständen werden jeden Tag Bewerbende aufgrund von Jobangeboten gesichtet, geprüft, selektioniert, eingeschätzt, interviewt und eingestellt, wenn die Deckungsgleichheit stimmt. Diese Prozesse sind aufwendig, teuer, komplex und personalintensiv.

Viele Firmen wollen Vorselektionen der Bewerbenden so automatisieren, dass am Schluss nur noch die Passendsten und Besten für die Besetzung einer Vakanz übrigbleiben. Bei solchen Rekrutierungsprozessen auf KI zu setzen und auch zu vertrauen ist nachvollziehbar. Schliesslich ist Zeit immer Geld und wenn der Aufwand bei der Personalgewinnung reduziert werden kann, dann zahlt sich das aus.

Ist KI jedoch so vertrauenswürdig, dass man ihr Rekrutierungsprozesse zu grossen Teilen einfach überlassen kann? Wohl kaum! Sie ist im besten Fall eine Ergänzung und Unterstützung. Wird sie unkritisch eingesetzt, kann sich das Blatt schnell wenden und sich im Gesamtgefüge einer Firma auswirken. Es sind Menschen, die eine Firma am Laufen halten und ihre Existenzberechtigung sichern. Die Betriebsmittel, dazu gehört auch die KI, unterstützen die Geschäftsprozesse. Nicht mehr und nicht weniger.  

Der Bayerische Rundfunk hat ein interessantes Experiment mit KI durchgeführt. Klicken Sie aufs Bild für mehr Infos (Bildquelle: BR 24)

Der Bayerischer Rundfunk (BR) hat, in Zusammenarbeit mit dem Politmagazin Report München das Angebot einer Firma näher untersucht, die einfach ausgedrückt einen Algorithmus entwickelte, der aufgrund der Daten, die bei einem Videointerview entstehen, angeblich sicher beurteilen kann, ob sich Bewerbende für eine bestimmte Position eignen.

Die Software ist faszinierend und vermittelt den Eindruck, dass man das Ei des Kolumbus gefunden hat, Rekrutierungsbemühungen auf ein Minimum eingedampft werden können und daher Entscheidungen für eine Anstellung schneller möglich sind. Die Realität sieht anders aus. Die 5 Grundpfeiler der Eignungsauswertung werden von der Software als Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus (Big Five) bezeichnet.

Fazit:

KI ist interessant und wird in Zukunft viele Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft verändern. Für den Einsatz bei der Rekrutierung von Bewerbenden ist sie bei der Interpretation von Gesichts- und Stimmerkennung noch lange nicht so ausgereift, dass sie einen konkreten Mehrwert bietet.

Vielleicht ist der direkte Austausch zwischen zwei Menschen, die sich gegenübersitzen, weitaus zielführender, da menschliche Köpfe mit einer biologischen Software arbeiten, die seit Jahrtausenden mehr oder weniger gute Arbeit leistet und dazu geführt hat, dass es KI überhaupt gibt. Der Weg zur ‘menschenzentrierter KI’ ist noch ein langer.

 

Experiment und Methodik

Die Versuche wurden mit 10 Kandidat*innen plus einer Schauspielerin durchgeführt, sind aber nicht mit industriellen Benchmarking-Tests zu vergleichen. Daher ist wichtig hervorzuheben, dass die Erkenntnisse keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben – weder in Bezug auf das Produkt noch auf den Einsatz von KI zur Persönlichkeitsbestimmung im Generellen. Für das Experiment wurde das Angebot der kostenfreien Trialversion genutzt. Die Experimente fanden Ende des Jahres 2020 statt.

 

Das Experiment mit einer Schauspielerin

Wie bei einer klassischen Rolle hat die Schauspielerin zunächst einen Text verinnerlicht und geprobt. Ziel war hierbei, die Robustheit der Software anzuschauen, also die Frage zu klären, inwieweit die Software ihre Persönlichkeit stabil einschätzt. Das war nur dadurch möglich, dass die Schauspielerin den Text in immer gleicher Weise und Wortwahl wiederholte. Mehrere Wiederholungen der Antworten führten bis auf kleine Abweichungen zu denselben Ergebnissen. Verhüllte sie jedoch ihre Haare mit einem Kopftuch oder wechselte vom Blazer zu einem ausgeschnittenen Shirt, änderten sich die zurückgegebenen Werte deutlich. Andere Faktoren wie das Tragen eines Lippenstifts oder das Betonen der Augenpartie führten hingegen zu keinen grösseren Abweichungen.

 

Technisch veränderte Videos

Neben den Versuchen mit der Schauspielerin wurde eine Gruppe von 10 Testpersonen mit unterschiedlicher ethnischer Herkunft, Hautfarbe und Geschlecht ausgewählt. Sie wurden alle vor gleichem Hintergrund aufgezeichnet und beantworteten dieselben Bewerbungs-Fragen, die auch der Schauspielerin gestellt wurden – nur eben nicht einstudiert. Videoproducer haben anschliessend das Rohmaterial bearbeitet und so einzelne Faktoren gezielt verändert. Dabei stellte sich heraus, dass andere Hintergründe, aber auch Veränderungen der Helligkeit und Sättigung zu deutlichen Unterschieden führten. Ein und dieselbe technische Veränderung kann sich bei den verschiedenen Kandidaten sehr unterschiedlich auswirken und es lassen sich teils sogar innerhalb eines Interviews Unterschiede feststellen. Eine niedrigere Bild-Auflösung oder Veränderungen an der Tonspur beeinflussten das Ergebnis wiederum nicht (Textquelle: BR24)

Mit diesem LINK kommen Sie zum Experiment des Bayerischen Rundfunks.